Ein erfolgreicher Wandertag definiert sich neben dem Glücksgefühl des Gipfelerfolges auch durch das sichere Gehen und das angstfreie Bewegen im Gelände. Laut der Unfallstatistik des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit ist seit Jahrzehnten die häufigste Unfallursache neben der köprerlichen Überforderung die mangelhafte Trittsicherheit der Wanderer (KURASI analyse:berg sommer 2016). Die Begriffe Trittsicherheit und Schwindelfreiheit werden bei vielen Touren ausgeschrieben und vorausgesetzt. Doch was bedeuten sie?
Unter Trittsicherheit versteht man die Fähigkeit, sich in unwegsamem Gelände (zum Beispiel im Blockwerk, auf Geröll, auf felsigen Pfaden, auf nassem Untergrund, unebenem Boden,…) sicher und ohne zu stolpern, umzuknicken oder auszurutschen bewegen zu können. Dazu braucht es gutes Gleichgewicht, genügend Kraftreserven, die genaue Einschätzung des Geländes und koordinative Fähigkeiten, wie die richtige Umsetzung der Bewegungsabläufe. Trittsicherheit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen am Berg.
Schwindelfrei beschreibt die Fähigkeit, ausgesetzte, aber gut begehbare Wege ohne Angst oder Schwindelgefühl sicher überwinden zu können. Höhenschwindel tritt meistens auf, wenn dem Auge ein nahegelegener fester Bezugspunkt fehlt, an dem sich die Wahrnehmung orientieren kann, und äußert sich dann mit Schwindelgefühl, Unsicherheit und Beschleunigung des Atems. Wir haben hier einige Tipps, um die Schwindelfreiheit zu trainieren.
Geländearten
Je nach Jahreszeit und Wetter sind die Wanderwege unterschiedlich anspruchsvoll. Es gibt einige Geländearten, die Trittsicherheit und teils auch Schwindelfreiheit voraussetzen:
1. Güterwege, Forstwege, Fahrwege:
Sie bergen keine großen Gefahren und mit dem richtigen Schuhwerk bietet auch das Bergabgehen gehen keine große Schwierigkeiten.
2. Almwanderwege, Wanderpfade, Fußpfade
Almwandern ist eine sehr beliebte Form von Genusswandern. Die Alm mit einer wohlverdienten Einkehr ist ein hervorragendes Zwischenziel. Die Almwege sind meist einfach zu begehen. Bei nassem Untergrund gilt es vorsichtig zu sein, um nicht auszurutschen.
3. Schotter und Geröll
Auf flach angelegten Wanderwegen wird Schotter und Geröll häufig verwendet, um die Wege in Stand zu halten. Wird der Weg dann etwas steiler kann loser Schotter oder Geröll oft zu einer größeren Schwierigkeit vor allem im Abstieg bilden.
4. Blockwerk
Blockwerk bedeutet unterschiedlich große Steinblöcke, die sehr locker sein können. Deshalb ist größte Vorsicht geboten. Lieber noch eine Pause einlegen, damit man dann mit voller Konzentration starten kann. Ein Tipp: Angenehmer ist Blockwerk im Aufstieg als im Abstieg – dies eventuell bei der Tourenplanung beachten.
5. Platten
Können je nach Gesteinsart und Steilheit unterschiedlich schwierig begehbar sein. Mit etwas Übung gewinnt man Vertrauen in die Reibung der Schuhsohlen. Achten Sie besonders auf lose Steine und Schotter. Bei Nässe und Flechtenbewuchs ist besondere Vorsicht gboten.
6. Ausgesetze Passagen
Ausgesetzte Stellen sind die Abschnitte eines Weges, bei denen ein Ausrutschen oder Stolpern aufgrund der Steilheit des Geländes verheerende Folgen hat. Hier sind unbedingt hohe Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich. Auf vielen Wanderwegen sind solche Stellen seilversichert, damit die Passagen gut überwunden werden können.
7. Seilversicherte Wege
Das am Fels angebrachte Seil bietet Halt. Dabei ist es wichtig, genügend Abstand zum Vordermann zu halten und sich sorgfältig den nächsten Schritt zu überlegen.
8. Schneefelder
Speziell im Frühjahr bzw. Frühsommer ist es sinnvoll, sich bei der Tourenplanung auch über digitale Medien, bei Hüttenwirten oder Tourismusverbänden über die aktuellen Bedinungen zu informieren. Vor allem harte Altschneefelder sind heikel und es besteht akute Ausrutsch- und Absturzgefahr. Es gilt daher, wenn möglich bestehende Spuren zu nutzen und die Schneefelder sehr vorsichtig zu queren. Ein Tipp für die Querung von Schneefeldern ist mit Schuhspitze und seitlichem Schuhrand Stufen in den Schnee zu schlagen, um mehr Halt zu gewinnen. Leicht ansteigend lässt sich die Querung oft leichter bewältigen. Am Einfachsten geht’s natürlich mit Snowline Spikes, die an die Schuhe geschnallt werden und den Halt gewährleisten.
9. Bachquerungen
Bei Bachquerungen gilt äußerste Vorsicht. Lieber einen kleinen Umweg in Kauf nehmen und einen sicheren Übergang in Form einer Brücke oder einer “einfacheren” Bachüberquerung suchen. Für die Bachüberquerung eignen sich Sandalen sehr gut. Tipp: Mitgeführte Wanderstöcke zur Stabilisierung hernehmen. Achtung: Besonders im Herbst sind die Steine in Bachnähe am Morgen mit einer tückischen, dünnen und kaum sichtbaren Eisschicht überzogen.
10. Nasser Untergrund
Bei den ersten Sonnenstrahlen nach lang andauernden Regenfällen zieht es besonders viele Menschen nach draußen. Doch besonders dann ist Vorsicht geboten. Der Boden ist aufgeweicht und der Untergrund rutschig. Das Profil der Schuhsohlen fühlt sich mit Dreck und sind rutschanfälliger. Ist man sich dessen bewusst und geht sehr vorsichtig, steht aber einer Wanderung nichts im Wege.
Wie kann ich meine Trittsicherheit und Schwindelfreiheit trainieren?
Sowohl Trittsicherheit und Schwindelfreiheit hat mit Übung und Routine zu tun. ASI Bergführer Gerhard gibt wichtige Tipps wie Schwindelfreiheit und Trittsicherheit trainiert werden können und was für eine unfallfreie Wanderung zu beachten ist:
Vor der Tour
- Tourenplanung: Informationen zu aktuellen Bedingungen über digitale Medien, bei Hüttenwirten oder Tourismusverbänden einholen. Tipp: www.alpenvereinaktiv.com
- Gute Grundkondition und Kräfte einteilen: Wanderer mit guter Kondition fühlen sich sicherer und können heikle Stellen souveräner überwinden. Wichtig ist, die Kraftreserven für die gesamte Tour gut einzuteilen.
- Gleichgewicht trainieren: zum Beispiel während dem Zähneputzen auf einem Bein stehen
- Richtiges Schuhwerk: feste hohe Wanderstiefel, die an die Schwierigkeit der Tour angepasst sind. Diese bieten nicht nur mechanische Stütze und Schutz, sondern verbessern auch die Wahrnehmung der eigenen Körperposition und damit die Koordination der Bewegung.
Während der Tour
- Konzentriertes Gehen: immer auf die großen Steine treten und die Konzentration auf den nächsten Schritt richten
- Haltung beim Abstieg: Knie leicht gebeugt und Oberkörper etwas nach vorne gebeugt wie ein “Katzenbuckel”, Füße hüftbreit und die ganze Fußfläche aufsetzen
- Die ganze Fußfläche aufsetzen
- Kleine „Bonsaischritte“: konstantes, eher langsames Tempo, das die ganze Tour über ungefähr gehalten werden kann
- Regelmäßige Pausen und Energiezufuhr: Müsliriegel, Nüsse oder Trockenobst sind bestens geeignet, Konzentration aufrecht zu halten. Tipp: Selbstgemachter Holundersaft mit einer Prise Salz auf den Liter gibt dem Körper die nötigen Elektrolyte zurück und schmeckt auch gut
- Gehen mit Stöcken: Die Verwendung von Stöcken empfiehlt sich nur als Unterstützung für die Gelenke oder zur Überwindung anspruchsvoller Passagen (z.B. bei Bachüberquerungen, Abstiegen oder im Geröll) Zwischendurch sollte aber immer wieder auf die Stöcke verzichtet werden, um die Körperbeherrschung und das Gleichgewicht nicht zu sehr zu verwöhnen.
- Weit- und Tiefblick vermeiden, um die Gefahr des Höhenschwindels zu verringern. Tipp: Nur kurze Blicke in die Tiefe – der Höhenschwindel setzt erst nach einigen Sekunden ein.
Ihr werdet sehen, die ersten Erfolge werden sich schon nach ein paar Touren einstellen und ihr fühlt euch sicherer in den Bergen.
Die Wanderwegnetze sind mittlerweile fast weltweit auf einem sehr hohen Standard – das haben wir verschiedenen Vereinen, Organisationen, den Landwirten, Tourismusverbänden oder einfach Freiwilligen Helfern zu verdanken, die sich um den Erhalt der Wege kümmern. Nichts desto trotz sind die Wege trotzdem anspruchsvoll und erfordern gewisse Erfahrung und eben Trittsicherheit und Schwindelfreiheit.
Auch auf unseren Wander- und Trekkingreisen auf der ganzen Welt kann Trittsicherheit & Schwindelfreiheit trainiert werden.