Einmal den Mount Everest von Angesicht zu Angesicht erleben – kaum ein Bergfex hat das nicht auf seiner Bucketlist stehen. Zugegebenermaßen hatte ich Nepal bis vor kurzem gar nicht auf meiner Agenda. Aber die Neugier, ein neues Land kennenzulernen und das kaum mehr zu ertragende Fernweh haben überwogen. So sollte es für mich nach meinem letzten Besuch Asiens vor 11 Jahren nun in den Himalayastaat gehen. In diesem Reisebericht nehme ich dich auf den Everest Panorama Trek mit und erzähle dir, was ich spannendes erlebt habe!
Die Vorfreude ist riesig, wird aber von der Angst eines positiven PCR Tests begleitet. Zudem muss ein Gesundheitsformular, der Antrag auf ein Visum, sowie eine Health Declaration der Airline ausgefüllt werden. und die Reisebestätigung von Around the Himalayas mitgenommen werden. Gar nicht unwesentlicher Papierkram also. In Bezug auf Corona wird allerdings mehr von der Airline kontrolliert, als von nepalesischen Behörden.
Aufgrund erhöhten Flugaufkommens und dem damit einhergehenden Stau auf der einzigen Start- und Landebahn Kathmandus haben wir fast 1,5h Verspätung. Nach der Kontrolle des Visums, Geldwechsel und Gepäckabholung, wedelt Saugat, mir freudig mit dem ASI Schild entgegen. Nach Ankunft im Moonlight Hotel im Viertel Thamels, der touristischsten Ecke Kathmandus, gehen wir Mittagessen. Es gibt Momos, quasi die Maultaschen Nepals, und Chicken Curry en masse. Spätestens danach prasseln alle neuen Eindrücke über mich herein. Die quirligen Straßen, auf denen unwahrscheinlich viel passiert, sind mit Gebetsflaggen, Wimpeln aus glänzender Folie und Stromkabeln geschmückt.
Am nächsten Tag soll es für mich bereits in den Chitwan Nationalpark gehen. Fahrer Raju bringt mich über die knapp 200km, für die wir 5,5h benötigen, sicher ans Ziel. Was für die Straße, gegen die der Fernpass absolut Pipifax ist, gar nicht so selbstverständlich ist. Die bunten LKWs, die mit Sprüchen wie „Road King“, „Speed Limit“, „Hard Work“, „FCB Fan“ und „Big Boss“ beschriftet sind, ächzen die steilen und schlaglochgespickten Serpentinen empor. Überholen ist mit einer freundlichen Hupmelodie no problemo. Das bunte Treiben am Straßenrand, die canyonartige Landschaft, die von einem Fluss durchzogen wird und die durch den Smog vage erkennbare Annapurna machen die Fahrt kurzweilig.
In der Safari Narayani Lodge angekommen, gibt es nach dem Mittagessen den ersten Programmpunkt. Ich werde den Elefanten vorgestellt und im Anschluss zeigt mir Guide Ogit das traditionelle Tharu Dorf. Ich erfahre viel über die Kultur dieser ethnischen Gruppe. Ogit erklärt mir alles über die zwitschernden Vögel auf dem Weg. Abends bekomme ich ein üppiges „Dinner for one“, wo ich mich wie bei Tischlein deck dich fühle. Pappsatt falle ich ins Bett.
Am Sonntag gehen wir auf Safari. Morgens mit Elefanten (was ich als Programmpunkt eher fragwürdig finde). Mittags fahren wir mit dem Kanu und gehen anschließend auf Walking Safari durch den Busch. Ich hoffe auf Rhinos, Krokodile, Affen, Ameisenbär und etwas verhalten auch auf den König des Dschungels, den Tiger. Die ersten drei soll ich zu Gesicht bekommen! Achtung vor im Baum baumelnden Affen, die mir fast auf den Kopf sch*** – ob das Glück bringt?
Montags geht es auf die langwierige Rückfahrt nach Kathmandu bzw. Bhaktapur, wo ich abends auf die Gruppe treffe. Am Dienstag mache ich mich schon vor dem Frühstück auf Erkundungstour durch die alte Königsstadt. Dabei kann ich die Einheimischen beim morgendlichen Gebet beobachten. Ich bin begeistert von der bunten, blumenreichen und entspannten Zeremonie, die kurz darauf von hupenden Mopeds abgelöst wird. Auf einem Rundgang durch die Stadt erfahren wir von unserem Guide Sam, so einiges über die Geschichte der Stadt. Nachmittags machen wir uns auf ins „liebliche“ Kathmandutal. Es geht entlang der Straße und schließlich hinauf auf einen Hügel. Dort erwartet uns der Rundgang durch den Tempel in Changunarayan. Im Anschluss gibt es zur Abkühlung Bananen Lassi. Zurück in der Stadt probieren wir den typischen Juju Joghurt, der in Tonschüsselchen als Take-Away serviert wird.
Aufbruch zum Everest Panorama Trek
Am Mittwoch startet endlich der Teil, weshalb wir alle nach Nepal gekommen sind – die Reise in die Khumbu Region. Dort wandern wir auf dem Everest Panorama Trek. Frühmorgens stehen wir dafür auf, um den ersten Flug nach Lukla um 5:30 Uhr zu erwischen. Die Sicht ist herrlich (vor allem, wenn man links sitzt) und die 20- Mann-Maschine landet sicher und unter Applaus am gefährlichsten Flughafen der Welt – dem Tenzing-Hillary-Airport, der nach den beiden Erstbesteigern des Mount Everest benannt ist.
Wir treffen hier auf unsere 4 Träger und Wakil, unseren Assistant Guide. Bei ihm kehren wir nach ca. 45 min Fußmarsch, auf dem wir leider schnell eine Plastiktüte an Müll füllen können, zu Minztee und einem Plausch ein. Im Angesicht des Kusum Kangguru, was so viel wie die drei schneeweißen Götter bedeutet, gibt es Nudelsuppe mit einer grünen, scharfen Knoblauchpaste. Derey mito (=richtig gut)! Auf dem gut ausgebauten Weg, erreichen wir bereits mittags Phakding, unser 1. Quartier. Wir bekommen einfache Doppel- und Einzelzimmer mit Gemeinschaftsbad. Tagsüber ist es so warm, dass wir uns gar nicht vorstellen können, die dicken Schlafsäcke in der Nacht zu brauchen.
Am nächsten Tag starten wir mit Omelette gestärkt, für das wir uns, wie es sich für eine reine Frauentruppe gehört, mühsam entscheiden („ich nehm Rührei“, „ich würd‘ Omelette nehmen“, „ich will eigentlich gar kein Ei“, „für mich auch Omelette“ – „nehmen wir doch alle Omelette“), weiter bergauf gen Namche Bazar, dem Treffpunkt aller großen Bergsteiger. Wir passieren Bergdörfer, Gebetsmühlen, und Steine, in die in mühevollster Feinarbeit Mantras eingemeißelt wurden. An ihnen soll man des Glückes wegen nur links vorbeigehen. Beinah wären wir aus Versehen einmal rechts abgebogen.
Anhand der Bauarbeiten an Lodges und der Wartung der Wege erkennen wir, wie viel hier sonst los sein muss und wie viele Touristen möglicherweise noch erwartet werden. Wir für unseren Teil sind meist unter uns, immer wieder gibt es Hirten, die ihre beladenen Mulis und Rinder an uns vorbeitreiben. Erstaunlich, dass die Tiere sogar ohne zu Murren über die 3-4 Hängebrücken trotten. Auch die Nepalis, die zum Teil das doppelte ihres Körpergewichts mit einfachen Flechtkörben und notdürftig präparierten Stützen bis zum Base Camp befördern bestaunen wir immer wieder. Wenn sie nicht gerade Touristengepäck von A nach B zerren, sind die Körbe oft mit Nahrungsmitteln und täglichem Bedarf gefüllt. Bezahlt wird der Transport nach Kilo.
Am späten Nachmittag erreichen wir Namche und nach Kaffee & Kuchen (man könnte unsere Gruppe beinah als Kaffeefahrt deklarieren) schließlich die Panorama Lodge, die wunderbar oberhalb des Kessels liegt, sodass sie ihrem Namen alle Ehre macht. Mingma, unser Gastgeber, und Dinesh, der Kellner, empfangen uns herzlich mit Hibiskustee in der gemütlichen Stube. Abends machen wir uns auf zum nahegelegenen Aussichtspunkt, wo wir die Bergkuppen von Everest und Lhotse nur unter den Wolken bedeckt ausmachen können. Etwa 200m von uns entfernt spielen ein paar Nepalis Volleyball, ein Sport, den ich dem Bergsteigerland absolut nicht zugeschrieben hätte, der dort aber allseits beliebt ist. Nach leckerem Dal Bat, getreu dem Motto „Dal Bat Power – 24 hours“, machen wir uns mit unseren Wanderstöcken bewaffnet auf ins Dorf in den Hungry Yak.
Mingma hat uns erzählt, dass die vielen Straßenhunde, die während Corona zur Plage in Namche geworden sind, nachts oftmals aggressiv werden, wenn sie ihr Revier verteidigen möchten. Da die Touristen ausblieben, sind sie nicht mehr wie gewöhnlich mit den Wanderern mitgezogen und haben sich besser in dem Gebiet verteilt. Tatsächlich wollten wir nicht unten im Dorf schlafen, das Hundegebell war schließlich schon bis zur Panorama Lodge hinauf gedrungen. In der Bar, in der eine Liveband westliche Klassiker und nepalesische Folksongs zum Besten gibt, ist Corona endlich wieder ganz weit weg. Wasserpfeife, Hukka genannt, ist übrigens auch ein Ding in Nepal und steht neben dem Sherpa Bier auf der Getränkekarte.
Den nächsten Tag (mittlerweile haben wir jegliches Zeitgefühl verloren) nutzen wir zur Akklimatisation. Eines unserer Gruppenmitglieder muss bei der anstehenden Wanderung rund um Namche leider aussetzen, da sie sich schon auf der ersten Etappe am Knie verletzt hat, das nun dick angeschwollen Ruhe verlangt. Wir starten vorbei an einer Stupa, den buddhistischen Bauwerken, die gelegentlich den Weg säumen, und unterhalb kreisender Adler gen Hotel Everest View, wo wir ein Kaffeepäuschen einlegen und die lang ersehnte Sicht auf Everest, Lhotse und Amadablam genießen. Immer wieder halten wir auch auf dem Weg weiter nach Khumjung inne, um dieses Bild einzufangen.
Wir dürfen in Khumjung einen kurzen Blick ins Innere der Schule, an der wir vorbeikommen erhaschen und stärken uns vor dem Besuch des Krankenhauses der Region mit Sherpa Stew, einem scharfen Kartoffeleintopf. Mitten im Dorf rennt uns plötzlich ein ausgebüxter Yak entgegen, voll Adrenalin suchen wir das Weite. Den Hörnern wollte ich nicht zu nahe kommen!
Auf dem Rückweg gen Namche erfahren wir, wie der Krankentransport Nepali Style aussieht: eine zusammengeschusterte Trage, die von mehreren Helfern über Stock und Stein gen Hillary Hospital in Khunde befördert wird. Währenddessen halten wir nach Edelweiß Ausschau, das eigentlich gerade keine Blütezeit hat und in Nepal nicht unter Naturschutz steht. Zurück an der Lodge gibt es eine kalte Dusche, Kaffee und abends gebratene Nudeln. Rai Wakil nimmt wieder Dal Bat, da er sagt, er kann ohne Reis nicht schlafen (Zitat: „no rice, no life“). Wir verbringen einen gemütlichen Abend mit unserem Gastgeber Mingma, der momentan nur uns als Gäste hat und uns nepalesische Lieder zeigt. Wir üben uns im zugegebenermaßen eher schiefen Mitsingen.
Tags darauf starten wir nach hausgemachtem Chopani in Richtung unseres Ziels Tengboche. Dort steht auch das bekannte Kloster, das wir nachmittags noch besuchen dürfen. Nachdem sich die Sonne den ganzen Tag richtig so richtig ins Zeug gelegt hat und ich tatsächlich einen leichten Sonnenstich gekriegt habe (damit habe ich in Nepal nun wirklich nicht gerechnet), zieht es nachmittags ganz schön zu und wir beschließen, den Aussichtspunkt und mit über 4.000m unseren höchsten Punkt der Tour erst am nächsten Tag zu besichtigen.
Abends zeigt uns Wakil wie man Dal Bat mit den Fingern isst, was besser funktioniert als gedacht. Man fühlt sich dabei mindestens genauso grandios wie damals im Sandkasten beim Matschen von jeglichen Zutaten auf dem Teller. Zum Anstoßen bestellen zwei aus unserer Gruppe Rotwein, was wohl auch eher selten vorkommt auf der Höhe, da der Kellner uns auf die Order „we would like the whole bottle“ entgeistert „hot water?“ entgegnet. Für mich heißt es zwecks zu viel Sonne heute früh Suboratri (Gute Nacht).
Gleich nach dem Frühstück steigen wir dem Aussichtspunkt entlang Gebetsfahnen und -tafeln entgegen. Die Stimmung hat irgendwie etwas ganz Besonderes heute, da wir leider schon wieder umkehren müssen. Ich bin froh, das gewaltige Panorama, das sich vor uns auftürmt, einen kurzen Moment nur für mich aufsaugen zu können.
Nach kurzem Fotoshooting mit der ganzen Truppe machen wir uns schweren Herzens, aber mit vertrocknetem Edelweiß im Gepäck, auf den Rückweg und verbringen einen weiteren Abend in der Panorama Lodge bei Mingma, der uns mit nepalesischen Glücksbringerschals Richtung Tal schickt. Die letzte Etappe ist lang, aber gibt uns allen somit Zeit, das Erlebte nochmals Revue passieren zu lassen. Nun kommen uns schon einige Muli- und Yak-Karawanen entgegen, ebenso wie große Reisegruppen und es lässt sich erahnen, wie voll die Wege bald sein müssen.
Den letzten Abend am Berg verbringen wir gemeinsam mit unserer ganzen Truppe – endlich sind auch die Träger mit uns am Tisch und wir lernen sie ein bisschen näher kennen, auch wenn das Englisch spärlich ist. Wakil übersetzt uns – alle von den Trägern sind ebenso wie er Rai und den Dialekt versteht selbst unser Guide Sam nicht immer. Nach dem Essen geht es für einige von uns weiter in den Irish Pub, der momentan noch recht verlassen scheint. Dass öfters mal der Strom ausfällt und man mit Handylampen leuchtet, ist ganz normal. Zuhause wäre so etwas undenkbar, hier ist es an der Tagesordnung.
Tags darauf klingelt uns der Wecker um 5 Uhr aus den Federn – wir sind für den ersten Rückflug angemeldet. Ein Blick aus dem Fenster lässt erahnen, dass wir heute nicht wie geplant starten werden, es lässt sich nicht einmal der nächste Berg gegenüber, Luftlinie ca. 200m, erkennen. Bei einem Sichtflug wohl auch besser, noch etwas zu warten. In der Buddha Lodge werden es zähe und müde 5 Stunden, bis wir aufgerufen werden, zum Check-in zu kommen. Noch immer hängen die Wolken ziemlich tief. Wir stehen bereits auf dem Rollfeld Spalier für die ankommende Maschine, die aussteigenden Passagiere sehen aber eigentlich recht entspannt aus.
Unser Flugzeug startet direkt, diesmal gibt es keine Einweisung im Falle einer Notlandung. Anfangs sind wir noch zuversichtlich, obwohl ich mich frage, wie der Pilot bei den Wolken überhaupt irgendwas sehen kann. Nach 3-4 Minuten Flug setzen die ersten Turbulenzen ein und ich werde nervös. Irgendwann wackelt der ganze Flieger, ich halte mich am Sitz fest und hoffe, dass die 25 min, die sich jetzt wie Kaugummi ziehen, schnell vorbeigehen. Plötzlich nur noch Piepsen, lautes Getöse und die Flugzeugschnauze, die der Pilot ruckartig nach unten zieht. Ein Blick nach links, wo die Hände zum Gebet und zur Meditation geformt sind, ein Blick nach rechts aus dem Fenster, wo sich nur terrassenartige Hügel mit sich windenden Gebirgspässen erkennen lassen.
Jedenfalls kein ebener Platz, der für eine Notlandung geeignet wäre. Letztendlich entscheide ich mich für den starren Blick auf Mingmas Glücksschal, irgendwas muss er ja schließlich bringen. Irgendwann sehen wir Kathmandu in der Ferne, aber selbst jetzt wackelt das Flugzeug noch. Als wir endlich landen spürt man die Erleichterung, die jedem ins Gesicht geschrieben steht, hier und da fließen Tränen. Selbst unser Guide gibt zu, dass er noch nie so viele Turbulenzen hatte.
Schau dir die Reise zum Everest Panorama Trek in Nepal an.
Zurück in Kathmandu
Die kommenden Tage in Kathmandu nutzen wir, um die restlichen Souvenirs einzukaufen und die Stadt mit all ihren Facetten kennenzulernen. Spätestens nach 2-3h Wuseln durch das Getümmel, weiß man nicht mehr ob man auf die anderen Leute, den Verkehr, den Boden, den Müll oder die überladenen Läden schauen soll und braucht eine Pause mit nepalesischem Kaffee. Erstaunlich, dass bei dem Verkehr so wenige Unfälle passieren. Auf dem Gewürzmarkt am Asan Bazar decken wir uns mit einem Jahresvorrat an Nepali Pfeffer, Himalayasalz, Masala und Chili ein. Wir besuchen einige Tempel, darunter den Affentempel und lernen über die öffentlichen Bestattungen, die man in der Nähe des Flusses Bishnumati, der in den heiligen Ganges mündet, besuchen kann. Auch der Umgang mit dem Tod ist hier ein ganz anderer als bei uns.
Eine Fernreise tut gut um seinen Horizont zu erweitern, neue Eindrücke zu sammeln und man merkt was wirklich wichtig ist. Spannend zu sehen, wie sich die Bedürfnisse schnell ändern können. Statt Schnapsrunden werden Klopapierrunden geschmissen und fließend Wasser und Strom werden nebensächlich. Solange man in guter Gesellschaft ist und das Beste aus der Situation macht.
Dhanyabaad Nepal!
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