Nepal. Seit Jahren spukt dieses Reiseziel in meinem Kopf herum. Die Weite der Landschaften will ich begreifen, die Tiefe der Täler und wie es sich anfühlt, wenn die Luft dünner wird und der Körper nicht mehr in den Gesetzmäßigkeiten einer Alpenwanderung funktioniert. Zugegeben: wenn ich Nepal denke, denke ich Himalaya. Wie tropisch, wasserreich und grün weite Teile des Landes auch sind, wird mir erst bewusst, als ich mir das komplette Reise Portfolio auf der ASI Website anschaue. Aber mich zieht es (wie immer) in die Berge. Himalaya soll es sein, aber bitte nicht das Everest Base Camp, die Bilder vom überfüllten Gipfel und die auf den Gipfelsturm harrenden Menschen sind mir sehr präsent und schrecken mich ab. Also lieber ins Gokyotal. Auch hier geht man hoch hinaus und es soll es wesentlich ruhiger zugehen. Perfekt. Gebucht.
Es geht los
Anfang November geht es dann endlich los auf meine erste ASI-Reise (als Gast). Mit der sehr komfortablen Qatar Airways fliege ich von Frankfurt über Doha nach Kathmandu. Der wuselige, in die Jahre gekommene Flughafen von Kathmandu könnte keinen größeren Kontrast zum hypermodernen Drehkreuz Doha darstellen. Aber nur auf den ersten Blick wirkt hier alles chaotisch. Visabeantragung und Einreise sind gut organisiert, mein Gepäck habe ich auch sofort und auch unser Reiseleiter ist nach Verlassen der Ankunftshalle gleich mal gefunden.
Eine kurze Busfahrt später sind wir im Hotel in Bhaktapur. 2 Tage in der Königsstadt liegen jetzt vor uns. Während einige gleich ins bunte Treiben eintauchen, behandeln andere ihren Jetlag mit einem Powernap. 170 Tempel, der Königspalast mit goldenem Tor, vorbeirennende Kindermönche, Linksverkehr, Basaare, hunderte Mofas und Motorräder, Baustellen mit windigen Gerüsten, Mandala-Malschulen, Marktauslagen auf Straßenpflastern, Räucher und in Sari gekleidete Frauen holen mich sehr schnell raus aus meinem europäischen Alltag und kitzeln meine Komfortzone. Super, ich freue mich auf mehr davon!
Beim Abendessen besprechen wir den Ablauf der vor uns liegenden Tour, die Do’s and Dont’s des Taschepackens und den Umgang mit der Akklimatisierung. Sudama zeigt uns noch eine Atemtechnik, falls angesichts des abnehmenden Sauerstoffs mal die Panik einsetzt. Dann fallen alle ins Bett.
Auf dem Highway Richtung Everest-Basecamp
Am ersten Tag des Trekkings starten wir dann sehr früh zum Flughafen Ramechhap. 4 Stunden Busfahrt über holprige Straßen vergehen überraschend schnell und wir erreichen um 6 Uhr Früh den kleinen Flughafen. Keine 10 Minuten ist die Propellermaschine am Boden, inkl. Tanken, Aus- und Einstieg und Ent- und Beladen, bevor wir Abheben. Vom Flugzeugfenster sieht man zunächst unzählige Terrassenfelder und dann die sich immer höher auftürmenden Bergriesen des Himalaya. Spektakulär und vielversprechend.
In Lukla lernen wir unsere Begleitmannschaft und zweiten Guide, Prem, kennen. Damit besteht unsere Gruppe nun aus 7 Gästen, den Guides Nabin und Prem und 4 Trägern. 2 Guides zu haben ist klasse, da sich ihr wissen zur Region toll ergänzt und sie mit ihrem Engagement eine rundum Wohlfühlatmosphäre schaffen.
Raus aus der Komfortzone
Anstatt das Trekking Tag für Tag zu schildern, möchte ich den Flow beschreiben, der sich einstellt, wenn man sich einlässt. Die Regeln sind einfach: Aufstehen, Frühstücken, Gehen, Essen, Gehen, Ankommen, warm anziehen, Kuchen essen, Buch lesen, Abendessen, Schlafen. Und das ganze wieder von vorne. Unsere Guides schaffen durch ihre gute Organisation einen Rahmen, in den wir uns fallen lassen und damit den Alltag komplett abschalten können. Verantwortung abgeben und das Leben runterbrechen auf die einfachen, oben genannten, Aufgaben, das macht den Kopf frei. Dazu diese Landschaften, die fesseln und den Blick in die Ferne ziehen.
Von Lukla geht es in 2 Tagen hinauf ins Bergsteigerdorf Namche Bazar. Diese „Hauptverkehrsstraße“ ist frequentiert wie der Kudamm in Berlin, nur dass eben keine motorisierten Fahrzeuge unterwegs sind. Güter werden von Sherpas transportiert und von Yak- und Eselkarawanen, Personenverkehr findet zu Fuß, seltener zu Pferd statt. Das sind Eindrücke, so weit weg vom europäischen Alltag.
Wir biegen ab ins Gokyo-Tal
Nach Namche Bazar wird es deutlich ruhiger auf den Trails, die durch riesige Rhododendronwälder, über aussichtsreiche Höhenwege, lange Steintreppen und windige Hängebrücken führen. Der täglich blaue Himmel lässt die Herbstfarben der Berghänge strahlen und zeichnet klare Kanten um die riesigen Eispakete auf den Gipfeln der 6000-8000er um uns herum.
Mit jedem Tag reduzieren wir unser Gehtempo, der Sauerstoffgehalt der Luft nimmt ab. Für die meisten von uns eine neue Erfahrung, die jeder Körper unterschiedlich gut verarbeitet. Zum Glück erwischt die Höhenkrankheit niemanden so richtig, so dass wir alle gut am höchstgelegenen Übernachtungsort Gokyo, auf 4.800 m, ankommen. Gokyo liegt malerisch am dritten der fünf Seen, mit dem das Sonnenlicht zu jeder Tageszeit ein anderes Farbenspiel treibt. Zwei Nächte verbringen wir im verhältnismäßig luxuriösen Gokyo Resort. Ausreichend Zeit um die beeindruckende Landschaft auf uns wirken zu lassen. Gleich hinter der Lodge liegt ein riesiger, blasser Toteisgletscher, in dem sich durch Höhleneinstürze Seen gebildet haben. Geht man weiter zum 4. und 5. See, kann man durch ein langgezogenes Gletschertal bis zum Everest schauen.
Die Luft wird dünner
Wir besteigen den Gokyo Ri, den, nach dem Kala Pattar, am meisten bestiegenen Trekking-Gipfel der Khumbu-Region. Vor dem Aufstieg kommt er uns noch ein bisschen lächerlich vor, ein Hügel mit 750 hm Aufstieg. Während wir auf den ersten Metern noch rumtönen, dass wir sicher nicht die anberaumten drei Stunden nach oben brauchen werden, wird es ab 5000 m ganz schnell still und alle sind nur noch mit Atmen und sehr langsam gehen beschäftigt. Ein Schritt zu schnell oder ein leichtes Stolpern treibt den Puls so rasant nach oben, dass man gleich mal stehenbleiben muss. Stolz wie Oskar (und etwas abgekämpft) kommen wir oben an und fragen uns: wie schaffen es Menschen auf den Everest?
Wieder unten in Gokyo, kann man die Nachmittage bestens in der Bäckerei verbummeln. Bei Milktea, Karottenkuchen und tollen Dokus über die Everest Region. Mein persönliches Highlight stellt Tag acht des Trekkings dar: die Passüberschreitung des Renjo La. Dies ist der einzige Weg des Trekkings, der etwas Anspruch an unsere Trittsicherheit stellt, da es über geröllige Passagen nach oben geht. Atemberaubend, in jeder Hinsicht. Oben angekommen blicken wir über den Gokyosee, Everest, Lhotse und Nuptse zur einen Seite und das tibetanische Plateau zur anderen Seite.
Der Abstieg
Das Tal, in das wir jetzt hinabsteigen, ist eines des schönsten, die ich je gesehen habe. Dunkelrot, gelb und braun leuchten die Weideflächen der Hochalmen und am Fluss haben sich karibisch-weiße Strände gebildet. Der Abstieg bis nach Thame ist der pure Genuss.
Der Ort Thame, mit seinem am Berg liegenden buddhistischen Kloster, hat etwas sehr friedliches, spirituelles. Ein guter Ort zum Ausruhen. Der nächste Wandertag ist lang, wir machen ausgiebig Pause in Namche Bazar, essen Pizza und fühlen uns schon fast wieder in der „Zivilisation“ angekommen. Während die Einheimischen den Abstieg von Namche Bazar nach Lukla in durchschnittlich sechs Stunden zurücklegen, haben wir 1,5 Tage dafür Zeit.
Zum Glück, denn unsere Körper sind müde und freuen sich über viele Kuchen- und Teepausen entlang des Weges. In Luka fallen wir uns in die Arme. Wir haben es geschafft. Glücksgefühl, Stolz und die Vorfreude auf eine warme Dusche sind groß. Gemütlich und lang wird der letzte Abend in der Lodge, bei tollem Essen, Tanz und guten Gesprächen über die physischen und psychischen Aufs und Abs der Reise.
Kathmandu
Glücklicherweise konnte unsere Agentur uns für den Rückflug aus Lukla einen Direktfug nach Kathmandu sichern, so dass wir uns 4 Stunden Busfahrt sparen und schon am frühen Nachmittag im schönen Hotel Hukum Darbar in Kathmandu ankommen. Ausgiebig duschen und wirklich frische Kleidung anziehen, kann so glücklich machen! 12 Tage waren wir jetzt nur von Landschaft, Yaks und wenigen Menschen umgeben.
Kathmandu ist der absolute Kontrast und freudig, aber etwas überfordert stürzen wir uns ins Getümmel der Bazare. Am letzten Tag steht noch mal ordentlich Kultur auf dem Programm: Pashupatinath, die bedeutendste Tempelanlage für Hindus in Kathmandu und ganz Nepal beindruckt durch Alter, Größe und die unfassbare Menge an Menschen die hierher pilgert. Danach besichtigen wir den großen Stupa von Bodnath und drehen mit den Gläubigen einige Runden um das heilige Bauwerk. Unser Abendessen genießen wir im Rooftop Restaurant mit Blick auf die goldene Stupa und können uns mit den Gruppen der anderen ASI-Nepal-Programme über die vielen Erlebnisse der letzten zwei Wochen austauschen. Ein perfekter Abschluss.
Fazit
Nepal, gerne jederzeit wieder! Vielen Dank an die ASI, unsere tollen Guides und eine sehr lustige, fitte Gruppe, die das Trekking zu einem Gemeinschafts-Erlebnis gemacht hat.