An einem heißen Sommertag Ende Juli ging es für mich von meinem Heimatort am Bodensee nach Oberstdorf und dann direkt weiter in das österreichische Kleinwalsertal, nach Mittelberg. Etwas aufgeregt, was mich alles erwarten würde, war ich trotzdem voller Vorfreude. Ich war jetzt schon sicher, dass ich mich auf die Natur der Alpen, die zu erwartende Entschleunigung, das gute Essen in den wechselnden Hotels und die menschlichen Begegnungen freuen würde.
1. Tag – Willkommen in der Welt der Berge und Täler
Die Anreise mit Bahn und Bus war unkompliziert und besser als die Anreise mit dem Auto (die Parkgebühren für eine Woche in Oberstdorf können nämlich die 100 Euro Marke locker überschreiten). Ab Bahnhof Oberstdorf ging es mit einer gut ausgebauten Buslinie nach Österreich bis zur Haltestelle Mittelberg Ort und dann mit einem Umstieg weiter bis direkt zur Haustür des ersten Hotels unserer Reise – das „IFA Alpenhof Wildental“. Angekommen in Mittelberg geht man bereits auf Tuchfühlung mit den ersten Gipfeln, die eindrücklich den blauen Himmel zu küssen versuchen.
Nachdem alle Gäste ihre Zimmer bis spätestens 15 Uhr bezogen hatten, trafen wir uns das erste Mal mit unserer sympathischen Bergwanderführerin Alexandra Mairhofer. Sie wies uns auf die erforderliche Ausrüstung hin (in jedem Fall knöchelhohe Bergschuhe mit gutem Profil, Sonnenschutz, Kopfbedeckung, Regenschutz und mindestens ein Liter Wasser) und rief zur ersten Probewanderung ums Eck auf. Ab jetzt seien wir ein Team und würden aufeinander aufpassen und uns gegenseitig unterstützen, bis wir auf der anderen Seite der Alpen angekommen wären. Zum Glück waren wir auch wirklich ein starkes Team, vom ersten Tag an.
Wir gingen ca. eineinhalb Stunden über Wald- und Wiesenwege, erprobten das Können der mitgebrachten Wanderschuhe und bezwangen unsere ersten, unkomplizierten Höhenmeter (150 hm). Angekommen an einem sogenannten „Energieplatz“, an dem sich erdmagnetische Gitternetze kreuzen, luden wir uns (unter Alexandras Anleitung) wortwörtlich mit Kraft und Energie für die Woche auf. Wir genossen den Blick auf Mittelberg und die dahinterliegenden Gipfel der Elfer und Zwölfer (Teile einer alpinen Sonnenuhr) und erfuhren, über ein Kennenlernspiel, etwas über die anderen Weggefährten.
Nach einem gut gefüllten ersten Tag verbrachten wir einen geselligen Abend bei schmackhaften, teils extravaganten Gerichten im Hotel Alpenhof Wildental.
2. Tag – Walser Kultur und kraxeln über den Pass
Gut gestärkt durch das reichhaltige Frühstücksbuffet ging es vom Hotel aus direkt los und wir stürzten uns über Wiesen, kühlende Waldstücke, Brücken, entlang des Flussbettes der Breitach in das Abenteuer „Alpenüberquerung“.
Da wir heute die längste Etappe mit einer Distanz von ca. 14km vor uns hatten, schonten wir unsere Kräfte und genossen noch die kühlen Morgenstunden, bevor der Weg dann vom Tal stetig in die Höhe stieg. Rechterhand, der große imposante Widderstein, stiegen wir in Alexandras empfohlenem meditativen Schritt Höhenmeter für Höhenmeter auf, über die „Hintere Gemstelhütte“ und die „Obere Gemstelhütte“ hinauf zum Gemstelpass auf 1972 Meter. Zwischendurch erfuhren wir von Alexandra immer wieder Interessantes über die Flora und Fauna am Wegesrand. Da war zum Beispiel die Schafgarbe, die uns mit ihren Bitterstoffen bei Magendarmbeschwerden helfen kann und direkt und frisch gepflückt zum Einsatz kam.
Nach der Passüberquerung kam die ersehnte Rast mit Almeinkehr sehr rasch in Sicht und unsere Schritte wurden wieder schneller. Gestärkt mit einer heimischen Bergkäseplatte und einem kühlen Getränk von der Widdersteinhütte brachen wir recht zügig wieder zum Abstieg auf, teils mit steilen Passagen über viel Geröll, in Richtung Hochtannbergpassstraße und weiter zur kleinen Ortschaft Warth.
Dort fuhr auch schon bald der öffentliche Bus um die Ecke, welcher uns direkt vor dem heutigen Hotel „Schwarzer Adler“ in Steeg auslud. Ziemlich k.o. aber glücklich erkundete ein Teil der Gruppe gemeinsam mit unserem Guide, noch vor dem Abendessen, das naheliegende Natur-Kneippbad. Das kalte Wasser des Lechs entspannte und erfrischte unsere Füße und Gelenke und verhinderte den morgigen Muskelkater.
3. Tag – Vom Lechtal zum Ötzi Dorf
Pünktlich um 8:30 Uhr wurden wir mitsamt dem Gepäck von einem Kleinbus abgeholt und zum nächsten Startpunkt gebracht. An der Bschlaber Landesstraße stiegen wir aus und begaben uns über einen wunderschönen, schmetterlingsreichen Höhenweg mit wilden Heidelbeeren am Wegesrand hinauf zur Anhalter Hütte auf 2040m. Umgeben von schroffen, hohen Felswänden genossen wir auf der einsam gelegenen Alm aus dem Jahre 1912 den hausgemachten Kaiserschmarrn und stärkten uns für den darauffolgenden schmalen und steilen Anstieg zum Gipfelkreuz des Steinjöchles.
Auch der vor uns liegende (ca. halbstündige) Abstieg zum Hahntennjoch erforderte einiges an Trittsicherheit und brachte uns ins nächste Tal. Pünktlich innerhalb weniger Warteminuten stand der private ASI Bustransfer vor uns und fuhr uns ins Hotel Johanna in Umhausen. Eine Tafel am Eingang des Hotels zauberte uns allen ein Lächeln auf das Gesicht, denn jeder Gast wurde dort in handgeschriebener Form persönlich begrüßt. Weitere Annehmlichkeiten des Hotels (Dampfbad, Sauna, Ruheraum etc.) begeisterten uns und trugen zur Erholung von Körper und Seele bei, nachdem wir bereits zwei recht anstrengende und heiße Wandertage hinter uns hatten.
4. Tag – Kühles Nass in variabler Ausführung
Vom Hotel aus starteten wir bei Kaiserwetter zu einem gemütlichen Wandertag in Richtung dem nah gelegenen archäologischen Freilichtpark „Ötzi-Dorf“. Hier wird jungsteinzeitliche Geschichte erlebbar gemacht und Alexandra erzählte uns vom Ötzi- der hier in der Nähe scheinbar mit einer Pfeilspitze ermordet worden sei und von einem Nürnberger Ehepaar im Eis gefunden wurde.
Nach wenigen hundert Metern kamen wir schon zum nächsten Natur-Highlight des heutigen Tages. Der Stuibenfall – der höchste Wasserfall Tirols – begrüßte uns mit tosendem Lärm und feinem, erfrischenden Sprühnebel inmitten eines Waldstückes. Das Sonnenlicht brach in Regenbogenfarben und vor uns lagen 700 modern angelegte Treppenstufen und eine 80 Meter lange Hängebrücke, die uns zu mehreren Aussichtsplattformen brachten.
Ideale Fotomotive entstanden und lustige Videos mit Sturmfrisuren, erzeugt durch die Naturgewalt dieses 159 Meter hohen Wasserfalls.
Auch die spätere Rast im idyllisch gelegenen Gasthaus Wiesle, inmitten einer Waldlichtung, war ein Genuss-Moment, bis dann das schnell eintreffende Gewitter uns zu überraschen versuchte. Alexandra verstand es die Gruppe zu einem zügigen Aufbruch zu motivieren und so bezwangen wir fast mühelos den Abstieg unter dem Schutz dichter Bäume, obwohl Blitz und Donner über uns ihr Spielchen trieben. Als wir pünktlich an der Bushaltestelle in Au ankamen, lichtete sich der Himmel bereits wieder. Unser heutiges Endziel war das Hotel Alpenaussicht im bekannten Wintersportort Obergurgl.
5. Tag – Von 1900 Höhenmeter hinab ins mediterrane Südtirol
Da für mittags erneut Gewitter angekündigt waren, brachen wir früh um 8 Uhr zum höchst gelegenen Gipfelkreuz dieser Alpenüberquerungswoche auf. Erneut bezwangen wir einige erste Höhenmeter mit dem öffentlichen Bus und begannen dann den ca. eineinhalbstündigen Aufstieg entlang des sinngemäß benannten „Schmugglerpfades“ in Richtung Timmelsjoch (2474 m). Nach dem obligatorischen Gipfelkreuz-Foto hatten wir Zeit die dort oben eindrücklich platzierten Werke regionaler Künstler zu begutachten. Uns wurde bewusst, dass wir nun der italienischen Grenze näherkämen– denn hier oben am Alpenhauptkamm kreuzen sich die Wege der beiden Länder Österreich und Italien bzw. Südtirol.
Es folgte ein langer Abstieg mit etwa 1000 Höhenmeter über ein malerisches Tal mit einzelnen Schneefeldern, Kühen, Geißböcken, Murmeltieren und einem glasklaren Gebirgsbach am Wegesrand bis zur Timmelsbrücke. Entlang dieser Route war mehrmals die Wegmarkierung „E5“ zu sehen, denn für ein paar hundert Meter waren auch wir auf dem bekannten Europäischen Fernwanderweg unterwegs.
Aufgrund der angekündigten Unwetter und grauen Wolkenwänden am Himmel, plädierte Alexandra an unsere Vernunft und wir kürzten den weiteren Routenverlauf ab und kehrten im nahegelegenen Gasthof Schönau ein, anstatt weiter zur Gostalm zu wandern. Gestärkt wurden wir vom Transferunternehmen abgeholt und zu unserem vorletzten Hotel (Pfandleralm) gebracht. Mit dieser Fahrt näherten wir uns dem schon mediterran anmutenden Passeiertal in Südtirol. Durch die witterungsbedingte Abkürzung der heutigen Route blieb uns Zeit das öffentliche Schwimmbad des Ortes St. Martin für eine ausgiebige Abkühlung und ein Sonnenbad zu nutzen.
6. Tag – Weinberge, Panoramaausblicke und nostalgischer Sessellift
Der Gepäcktransporter brachte uns heute auf ca. 1100 Höhenmeter (Startpunkt Vernuer) von wo aus wir uns, am Sonnenhang der Texelgruppe, auf einem Maroni gesäumten Waldweg – dem beliebten Meraner Höhenweg – unserem Endziel mit Spannung näherten. An der Longfall Alm legten wir eine kurze Jausen-Pause ein, bevor uns u.a. einige hundert naturbelassene Treppenstufen näher zu unserem heutigen Rast Ziel brachten. Am Gasthaus der Hochmuth Bahn kam bei vielen von uns Südtiroler Speck und ein erfrischendes Bier auf den Tisch und unsere Blicke durften über das unter uns malerisch gelegene Dorf Tirol schweifen. Nur noch wenige Kilometer trennten uns von unserem Endziel Meran, zauberhaft eingebettet in Weinberge und Apfelplantagen.
Es folgte eine Gondelfahrt mit der Hochmuth Bahn am Schloss Tirol vorbei bis zum Dorf Tirol. Dieses durchquerten wir mit einem gemütlichen Spaziergang bis zum nostalgisch anmutenden Panorama-Sessellift. Bei der Fahrt in einem Einer-Sessellift schwebte man förmlich über den Weinreben hinab in die Kurstadt Meran. Dieses einmalige Erlebnis war ein wunderbarer Abschluss dieser Alpenüberquerung und zählte zu einer der vielen Momente, welche für immer tief in unserem Herzen verankert sein werden.
Wir klopften uns beim Eintritt in das Hotel Kolping gegenseitig auf die Schulter, denn wir hatten es tatsächlich geschafft. Hinter uns lagen insgesamt 57 Kilometer Wanderweg, einen Aufstieg von 3832 Höhenmeter und einen Abstieg von 3032 Höhenmeter. Auf diese Leistung und die spaßigen, genussvollen letzten sechs Tage wurde, nach einem Bummel in der Stadt und dem üppigen Abendessen, gemeinsam angestoßen. Zum Abschied zauberte Alexandra uns, mit ihren handgeschriebenen Urkunden, erneut ein Lächeln ins Gesicht.
7. Tag – Abschied von Meran und liebgewonnenen Wegbegleitern
Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns gegen 9 Uhr von Meran und wurden mit dem ASI Bus nach Oberstdorf zurück gebracht.
Im Gepäck hatten wir jetzt einzigartige Erinnerungen, neue Bekanntschaften, Demut gegenüber der erlebten Natur und das Gefühl von Stolz – denn immerhin hatten wir in sieben Tagen die Alpen überquert.
Fazit:
Die Alpenüberquerung mit ASI war ein rundum sehr gelungenes Erlebnis mit perfekt organisierten Abläufen und Wanderungen, die für Menschen mit guter sportlicher Ausdauer und Trittsicherheit auf jeden Fall zu meistern sind. Unser Guide Alexandra hatte es geschafft die Gruppe zusammenzuschweißen, zu motivieren und professionell zu begleiten. Sie hat uns mit Ihrem Wissen über Flora & Fauna begeistern können und stets dafür gesorgt, dass wir die Tour mit allen Sinnen genießen lernen.
Ich kann diese Reise, mit dem Komfort von sorgsam ausgewählten Hotels, wärmstens an alle Wanderfreudigen weiterempfehlen.
Wer Spaß an einem Abenteuer in der alpinen Natur hat und auf der Suche nach neuen Herausforderungen (in moderatem Maße) ist, aber dennoch nicht auf gewisse Annehmlichkeiten verzichten will, ist hier richtig.
Schreibe einen Kommentar