Sie sind schön anzusehen und riechen oft verführerisch gut: Blumen und Kräuter. Doch sie haben noch viel mehr Potenzial, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Mit dem notwendigen Wissen verwandelt ihr die Welt der Pflanzen in eure eigene kleine Outdoor-Apotheke.
Back to the roots
In verwinkelten und nur schwer erreichbaren Alpentälern hatten die Menschen viele Jahre lang gar keine andere Möglichkeit, als sich auf die Heilkraft der Pflanzen zu verlassen. Bis die Schulmedizin im 20. Jahrhundert auch dort ihren Siegeszug antrat und so das Wissen um die Heilkräuter nach und nach verdrängte. Mittlerweile hat sich das ganze wieder etwas gedreht – immer mehr Menschen besinnen sich wieder auf die Schätze aus der Natur, vor allem aus der eigenen Region.
Sammler & Wanderer
Gerade beim Wandern im Alpenraum kommt ihr oft an Pflanzen vorbei, die sich als äußerst nützlich erweisen können. Getrocknet als Tee oder angesetzt mit Ölen als Salben und Badezusätze helfen sie euch bei Beschwerden aller Art. Nachfolgend hat ASI Kräuter-Expertin Waltraud Lohfeyer für euch einige nützliche Tipps und Tricks zum Sammeln und der entsprechenden Anwendung von Pflanzen mit Heilwirkung. Diese Liste könnte noch ewig lang erweitert werden. Falls ihr tiefer in die Welt der Heilkräuter eintauchen wollt – geht doch auf Erkundungsreise in die Salzburger Kalkalpen. Auf dieser geführten Wanderreise seid ihr mit unserer Kräuterfachfrau Waltraud persönlich am Weg in ihrer Heimatregion und profitiert von ihrem Insiderwissen in der botanischen Welt der Loferer Steinberge.
Kräuter-Guide
1. Arnika (Arnica montana)
Sie gilt als die Königin unter den Heilkräutern: die Arnika. Als geschützte Pflanze eigentlich unantastbar – ihre gelben Kronblätter dürft ihr allerdings verwenden. Als Öl angesetzt entfaltet sie bei Muskel- und Gliederschmerzen sowie bei Verstauchungen, Blutergüssen und Schwellungen ihre heilenden Superkräfte. Der dottergelben Arnikablüte wird zudem eine beruhigende Wirkung nachgesagt. Also schnell zugreifen, wenn das nächste Mal die Nerven blank liegen.
Blütezeit: Juni bis Herbst, je nach Höhenlage
2. Augentrost (Euphrasia officinalis)
Wie der Name schon vermuten lässt, findet der Augentrost seinen Einsatzbereich bei Problemen rund ums Auge. Mit Augentrost-Tee die Augen bei Entzündungen ausspülen, kann wahre Wunder bewirken. Auch die Signaturenlehre, derzufolge man anhand des Aussehens einer Pflanze auf ihre Heilwirkung schließen kann, stellt eine Verbindung zu unserem Sehorgan her: Die weißen Blüten der Blume mit ihren bläulichen Adern, dem gelben Fleck und der schwarzvioletten Mitte soll an ein Auge erinnern. Seht ihr es?
Blütezeit: August bis Oktober; für die Zubereitung des Tees solltet ihr die blühende Pflanze verwenden.
3. Blutwurz (Potentilla erecta)
Die Blutwurz ist hübscher, als es ihr Name vermuten lässt. Ihre Blüte besteht aus nur vier Kronblättern, die in intensivem Gelb leuchten. Ihre heilenden Stoffe verstecken sich allerdings unter der Erde: Die Wurzel enthält viele Bitterstoffe (Tannine), die als Tee oder Schnaps zubereitet gegen Magenbeschwerden oder bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum Anwendung finden.
Blütezeit: über den ganzen Sommer hinweg; die Wurzeln werden entweder im Frühling oder im Herbst ausgegraben.
4. Schafgarbe (Achillea millefolium)
Entzündungshemmend und Stoffwechsel anregend – das wird der Schafgarbe nachgesagt. Ideal also bei Erkältungen als ätherisches Öl auf die Brust aufgetragen. Zudem soll das Kraut auch als Tee für Verdauungsbeschwerden oder bei Frauenleiden seine Heilkraft entfalten. Dafür einfach das blühende Kraut sammeln und trocknen.
Blütezeit: Mai bis Juni
5. Harz (Copal)
Harz ist zwar keine Pflanze, aber passt dennoch in diesen kleinen Guide von Heilpflanzen. Denn die klebrige Essenz ist oft bei Waldwanderungen an den Baumrinden zu finden und wird – zu Unrecht – unterschätzt. Früher fand Harz vor allem bei Förstern großen Anklang. Es diente ihnen als Pflaster, Zahnpasta und Medizin zugleich, wenn sie mehrere Tage am Stück in den Wäldern unterwegs waren. Von den Bäumen als Wundheilmittel produziert, wirkt es auch beim Menschen antibakteriell und pilztötend. Sowohl auf den Zähnen – Das weiße Baumharz ist ein Vorfahre des heutigen Kaugummis. Als auch direkt auf der Haut – als Zugsalbe, wenn wir uns einen Spieß eingefangen haben, oder allgemein gegen raue Hände. Zudem duftet Harz sehr gut, vertreibt die Müdigkeit und regt den Kreislauf an.
6. Quendel (Thymus serpyllum)
Quendel gilt als der wilde Bruder des Thymians. Besonders wohl fühlt er sich an Stellen, die trocken, steinig und sonnenverwöhnt sind. Dort bildet er ganze Teppiche, die im Sommer pink-violett blühen. Genau in dieser Zeit solltet ihr ihn auch sammeln. Getrocknet als Tee oder als Badezusatz fördert er den Heilungsprozess wenn die Nase läuft und der Rachen kratzt – bei Erkältungskrankheiten ist sein herb-würziger Duft äußerst wohltuend.
Blütezeit: Mai bis September
7. Farnblatt
Bei Schmerzen unterschiedlichster Art kennt die Natur diesen guten Helfer: das Farnblatt. Farne mögen schattige, leicht feuchte Orte. Deshalb findet ihr die Farne in Wäldern oder an Bachrändern. Ein alter Mythos besagt, Farne beleben den Fuß: So wurde früher während der Wanderung ein frisches Farnblatt in den Schuh eingelegt, um das Brennen an den Füßen zu verringern oder sogar zu stoppen. Heute werden die grünen Blätter gerne mit Ölen als Salbe verarbeitet oder in Umschläge mit eingewickelt, um schmerzende Körperstellen, Verbrennungen oder Hautentzündungen zu lindern.
8. Brennnessel (Urtica Dioica)
Oft leidet die Brennnessel unter ihrem Ruf als lästiges Unkraut, doch zu Unrecht: ihre stärkende, entgiftende Wirkung macht sie zur wahren Wunderpflanze. Die Blätter der Brennnessel enthalten reichlich Mineralien, Vitamin C und weitere Wirkstoffe, die den Wachstum von Bakterien hemmen. Am besten stellt ihr einen Tee aus den Blättern her. Die richtige Verarbeitung der Samen hilft, um Kraft und Energie zu tanken: Dafür einen Liter Wein und eine Hand voll Brennnesselsamen zusammen aufkochen lassen, bei lauwarmen Zustand mit Honig süßen und davon 3 Stamperl über den Tag verteilt trinken. Ein wahres Wundergetränk, das einen Schwächezustand schnell wieder verschwinden lässt.
Sammelzeit der Blätter: März bis Juli
Sammelzeit der Samen: Juli bis Oktober
9. Spitzwegerich (Plantago Ianceolata)
Schon im zeitigen Frühjahr wächst der Spitzwegerich ganz unauffällig an Wegrändern und auf Wiesen. Wie Lanzen schießen die langen, schmalen Blätter aus dem Boden. Deren ausgequetschter Saft lässt sich zu frischem Hustensirup verarbeiten: Füllt dabei einen Behälter abwechselnd mit frischen, zerkleinerten Blättern und braunem Zucker schichtenweise auf. Nach 6-wöchiger Rast im Keller ist der hausgemachte Hustensaft einsatzbereit. Der Saft der Spitzwegerich-Blätter lindert auch den Juckreiz von lästigen Mückenstichen und fördert die Wundheilung.
Blütezeit der Blätter: Mai bis August
Blütezeit der Wurzeln: August bis Oktober
10. Wilder Majoran (Dost, Oregano) (Origanum vulgare)
Wilder Majoran ist den meistens von uns unter dem Namen Oregano bekannt. Neben Basilikum, Rosmarin und Tyhmian zählt er zu den bekanntesten Gewürzkräutern aus der mediterranen Küche und verfeinert Pizzen, Pasta oder Suppen. Als Heilkraut hilft er gegen Magen- und Darmbeschwerden, chronischer Bronchitis und unreiner Haut. Dabei wird wilder Majoran in Form eines Tees eingenommen. Die Gerb- und Bitterstoffe im wilden Majoran haben eine entkrampfende Wirkung und regen nebenbei den Appetit an. Die Pflanze kommt auch in unseren Breiten in der Natur vor und trefft ihr meist auf Trockenwiesen oder an Waldrändern im Gebirge an.
Blütezeit: Juni bis Oktober