von Ambros Gasser, Geschäftsführer ASI Reisen
Im Annapurna-Gebiet in Nepal hat ein Mann eine ambitionierte Vision Wirklichkeit werden lassen. Er brachte Internet in Bergregionen, die selbst heute nur durch einen mehrtägigen Fußmarsch erreichbar sind. Bis heute hat er über 60.000 Menschen in der Region mit dem World Wide Web verbunden und damit erhebliche Verbesserungen in medizinischer Versorgung, Bildung und Wohlstand
erreichen können. Sein Name ist Mahabir Pun.
Als ich Mahabir bei einer meiner Reisen nach Nepal kennenlernte, zog mich seine Ausstrahlung von Anfang an in den Bann. Er inspirierte mich mit seinen Visionen und Ideen und mir war schnell klar, dass ich seine Vorhaben unterstützen will.
Mahabir, seit über 15 Jahren hast du die Vision, Internet in die abgelegenen Regionen Nepals zu bringen. Wie hat das Ganze angefangen?
Nachdem ich 1992 mein Studium in den USA abgeschlossen habe, kam ich zurück in mein Dorf Nangi. Ein typisches nepalesisches Dorf auf 2.300 m in den Hügeln zwischen Pokhara und der Annapurna Kette. Ich habe einige Jahre in den USA gelebt und Internet war für mich inzwischen etwas Alltägliches geworden. Vor allem die Kommunikation per E-Mail war für mich Standard. Doch in Nangi gab es kein Internet, der nächstgelegene Internetzugang war einen Zweitagesmarsch entfernt in Pokhara. Also ging ich einmal pro Monat zu Fuß ins Internetcafé nach Pokhara um meine
Emails zu checken. Das machte ich für einige Jahre. Einmal pro Monat. Im Jahr 2001 beschloss ich eine Lösung zu finden und dachte an die Errichtung eines Wireless-Networks.
Das ist ein ambitioniertes Ziel – wie bist du das Projekt angegangen?
Mein Traum war es, Nangi mit der Welt zu verbinden. Mir fehlte jedoch das technologische Know-How. Also schrieb ich ein E-Mail an BBC Online News und fragte, ob sie jemanden kennen der ein Wireless-Network in Bergregionen bauen könnte.
Das wird wohl keine alltägliche Anfrage sein bei BBC. Wie haben sie darauf reagiert?
Ich bekam recht schnell eine Antwort von BBC. Sie fragten, warum ich ein solches Netzwerk benötige. Ich erzählte ihnen also von unserem abgelegenen Dorf und der Idee, Internet nach Nangi zu bringen. Die Bewohner sollen mit dem Rest der Welt verbunden werden um so die Bildungsqualität und den Wohlstand zu verbessern. Sie waren ganz angetan von meiner Idee und veröffentlichten einen Artikel und erzählten unsere Geschichte.
Welche Auswirkungen hatte der BBC Artikel auf dein Vorhaben?
Nachdem der Artikel veröffentlicht wurde, bekam ich viele Mails von Menschen aus der ganzen Welt. Ich war überwältigt, wie groß die Hilfsbereitschaft und das Interesse an meinem Projekt war. Schließlich waren es Johann aus Belgien und Jonni aus Finnland die nach Nepal kommen wollten um das Wireless-Network zu bauen.
Wie reagierten die Menschen in deinem Umfeld?
Die meisten dachten ich bin verrückt und niemand glaubte, dass es funktionieren könnte. Es gab weder Geld noch die nötige Technik um so etwas realisieren zu können. Alles was wir hatten, waren 15 Computer in Holzboxen, die wir selbst zusammengebastelt haben. Die einzelnen Teile habe ich von verschiedenen Bekannten aus der ganzen Welt geschenkt bekommen. Nur ohne Internet nutzten uns die Computer nicht allzu viel und ohne mobilem Netzwerk, geschweige denn einer Telefonleitung war es unmöglich, Internet zu bekommen.
Was war die größte Herausforderung beim Bau des Netzwerks?
Es gab keine passenden Antennen um eine Verbindung herzustellen. Glücklicherweise fanden wir große TV Antennen und schafften es, diese für unseren Zweck umzubauen.
Wie wurde das Netzwerk errichtet als die Antennen adaptiert waren?
Nachdem uns dies gelungen war brachten wir eine Antenne nach Pokhara und eine weitere auf den Mohara Hill. Einem exponierten Berg in der Nähe von Nangi. Im Mai 2002 sendeten wir ein Signal von Pokhara in Richtung Mohare Hill. Dort standen wir mit der riesigen TV Antenne und drehten diese für zwei Stunden ganz leicht hin und her. In alle Richtungen, bis wir tatsächlich das Signal aus Pokhara empfangen konnten.
Ab diesem Zeitpunkt konntest du also deine Emails checken. Doch du hast das Internet in einem größeren Zusammenhang gesehen. Welche waren das?
Natürlich ist es schön Emails bequemer lesen und beantworten zu können. Doch der eigentliche Nutzen des Internets liegt für uns wo anders. So haben wir beispielsweise in Nangi eine medizinische Station errichtet und diese mittels einem Videokonferenzsystem mit dem Krankenhaus in Kathmandu verbunden. Dieses neue System ermöglicht es, kranken Dorfbewohnern
viel schneller und besser helfen zu können als früher. Ausgebildete Krankenschwestern in Nangi können sich so per Videokonferenz mit Ärzten in Kathmandu beraten und die Patienten dementsprechend behandeln.
Auch im Bildungsbereich hilft das Internet. Wie genau?
Vor dem Internet war die Schulausbildung sehr rudimentär. Heute haben wir in Nangi eine Schule für 350 Schüler. Es gibt Computer und von uns entwickelte Programme um beispielsweise Englisch zu lernen. Junge Menschen müssen also nicht mehr zwangsläufig nach Pokhara oder Kathmandu um eine gute Bildung zu bekommen.
Es heißt, dass täglich 1.500 junge Nepalesen auf der Suche nach Arbeit ihre Heimat verlassen. Du hast nun von medizinischer Versorgung und Bildung gesprochen um die Landflucht zu verhindern. Aber reicht das schon aus?
Nein, die Menschen müssen natürlich auch ihren Lebensunterhalt verdienen. Attraktive Arbeitsplätze müssen geschaffen werden. Aus diesem Grund haben wir lokale Online-Plattformen entwickelt auf welchen regionale Güter wie beispielsweise handgeschöpftes Papier verkauft und gehandelt werden. Darüber hinaus haben wir die ersten Trekking-Lodges entwickelt welche zu 100% im Besitz der lokalen Communities sind.
Die Lodges liegen entlang des Community Treks – was ist das Besondere dabei?
Das Ziel ist es, die Bewohner nicht nur über das Internet mit der Welt zu verknüpfen, sondern „die Welt“ auch zu den Bewohnern zu bringen. Die Trekkingtour am Community Trek führt neben den herrlichen Berglandschaften vor der Kulisse der majestätischen Annapurna und dem Dhaulagiri in die ursprünglichen Dörfer. Dort können die Besucher am Alltag der Einheimischen teilhaben und in einfachen, von der Dorfgemeinschaft betriebenen Lodges übernachten.Die Tour führt durch die hügelige Landschaft zwischen Nangi und Mohare Hill und bietet spektakuläre Ausblicke auf die
Annapurna-Kette. Vom Geld was vom Betrieb der Lodges übrig bleibt, werden Schulbücher oder Medikamente für die ganze Gemeinschaft gekauft. 100%ige Wertschöpfung für die lokalen Communities fernab der überlaufenen Pfade.
Du bist ein Mann mit vielen Ideen. Was hast du noch vor?
Wir möchten das Internet auch in andere Regionen Nepals bringen. Was bei uns begonnen hat kann in anderen Gebieten auch angewendet werden. Zudem möchte ich die bereits bestehenden Projekte in Nangi und Umgebung weiterentwickeln und insbesondere weitere Möglichkeiten für die Jugend schaffen. Mein Traum wäre es ein College in Nangi zu errichten. Ein Ort an dem unsere Jugend lernen und ausprobieren kann. Ein Zentrum des kreativen Arbeitens mitten in den Bergen. Ich möchte aber auch für unseren Onlinehandel neue Dinge probieren – Trauben züchten für
Wein, Oliven für das erste Himalaya Olivenöl und einiges mehr. Es gibt noch viel zu tun…
Mahabir, Vielen Dank für das Gespräch.
ASI Reisen und Nepal Wireless
Im Jahr 2009 wurde ich erstmals durch unsere Partner in Nepal auf Mahabir Pun aufmerksam gemacht. Von Anfang an war ich begeistert und zu tief beeindruckt wie er mit seinen fortschrittlichen Überlegungen der Landflucht entgegen wirken will. Wie er mit nahezu keinen Mitteln aber umso mehr Begeisterungsfähigkeit schier unmögliches bewerkstelligt. Wenige Monate später reiste ich nach Nepal und traf Mahabir. Bis heute konnten wir durch verschiedene Maßnahmen die Arbeit von Mahabir Pun einer größeren Menge an Menschen vorstellen und Nepal Wireless finanziell unterstützen.
Film über Mahabir Pun
Hiking for Emails von Clemens Purner Im Jahr 2013 drehten der Regisseur Clemens Purner und ich einen Film über die Arbeit von Mahabir Pun. Dieser wurde von der Videoplattform Vimeo als „Staff Pick“ ausgewählt und mittlerweile auf verschiedenen Blogs und Internetseiten geteilt. Hier geht’s zum Film:Vision von Mahabir
Community Lodges selber erleben
Seit mehreren Jahren bieten wir eine Reise in die Heimatregion von Mahabir Pun an. Sie wandern zwischen den Community Lodges, besuchen auch das Dorf Nangi und wandern auf den Mohare Hill auf dem noch heute die zentrale Wireless-Station ist. Mehr Infos dazu auf: Trekkingreise Annapurna
Nepal Wireless Projekt unterstützen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten das Nepal Wireless Projekt zu unterstützen. Erzählen Sie Freunden und Bekannten davon oder sehen Sie sich die Region selber vor Ort an. Lesen Sie hier Weiteres zum Thema.
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