Marokko, das nordafrikanische Land zwischen Atlantik und dem Mittelmeer, zählt zweifellos zu den Schätzen Afrikas. Unberührte Küstenabschnitte, eine faszinierende Bergwelt, die Königsstädte mit ihren verborgenen Kulturschätzen und die gigantische Dünenlandschaft der Sahara machen die oft unerwartete Vielfalt aus. Der Hohe Atlas ist die höchste Gebirgskette Marokkos und gleichzeitig auch die Heimat der traditionellen Berberstämme. Einige von ihnen leben noch wie vor tausend Jahren in entlegenen Berberdörfern in den Bergen. Eines der besonderen Rituale dieser Menschen ist die Teezeremonie.
Die Teezeremonie in Marokko
Tee – das Nationalgetränk in Marokko. Mit Tee werden Geschäfte abgeschlossen, Feste gefeiert und Gäste begrüßt. In Marokko gilt es als sehr unhöflich, dieses Heißgetränk abzulehnen. Bei der Zubereitung gibt es je nach Region und Stamm große Unterschiede. Grundlage ist die Grün Tee Sorte „Gunpowder“. Zu dieser Grundzutat werden dann die unterschiedlichsten Kräuter zugegeben. Am beliebtesten und bekanntesten ist wohl die Marokkanische Minze – auch genannt Nanaminze. Aber auch Zitronenmelisse, Thymian, Salbei und Wermuth werden gerne hinzugefügt. Was bei einem original Berber Tee auf keinen Fall fehlen darf, ist Zucker. Und zwar richtiger Zucker, kein Honig oder Rohrzucker – richtiger Zucker, am besten in Würfelform. Hierbei kommt es wie so oft auf die Menge an. Je mehr desto besser. Die Süße des Tees bestimmt, wie willkommen ein Gast ist.
Eine kleine Anekdote
Ein junger Mann hält um die Hand einer Berberprinzessin an. Traditionell bringt er zum Besuch im Haus der Familie Milch und Zucker mit, um um ihre Hand anzuhalten. Milch symbolisiert die Reinheit seiner Absicht und die Reinheit der Frau. Zucker steht für das Glück. Die Tradition will es, dass die Mutter der Angebeteten und sie selbst gemeinsam einen Tee zubereiten. Während der Zubereitung bleibt den Frauen genügend Zeit, um sich über die Chancen des Anwärters zu unterhalten, während der Vater der Braut dem potenziellen Schwiegersohn auf den Zahn fühlen kann. Anschließend geht der Vater in die Küche und spricht sich mit „seinen“ Damen ab. Nach diesem Urteil wird dem Tee der Zucker zugeführt, der mitgebracht wurde. Jetzt kommt der spannendste Moment, der Tee wird gemeinsam getrunken. Der junge Mann wird ziemlich schnell schmecken, wie es um ihn und seine Absichten steht:
- wenig gesüßt – der junge Herr wird höflich, aber enttäuscht das Haus verlassen
- mittelmäßig gesüßt -er muss wohl noch ein zweites Mal wieder kommen – die Entscheidung ist noch nicht eindeutig
- sehr süß – sein Gesuch wurde erhört und es werden wohl bald die Hochzeitsglocken läuten – oder in diesem Fall der Muezzin rufen
Der Hintergrund des marokkanischen Teeaufgusses
Die traditionelle Teezubereitung nimmt viel Zeit in Anspruch, da der Tee einige Male in hohem Bogen von der Teekanne ins Glas und wieder zurückgeleert wird, damit eine schöne Schaumschicht entsteht. Für manche mag das wohl mehr Show sein, für andere dient diese Zeremonie zur Aromaentfaltung oder Abkühlung des Tees. Doch sie hat auch einen anderen Hintergrund und kommt von den Kamelkarawanen, die einst durch die Berge und Wüsten zogen. Der Staub und Sand, der in den Tee gelangt ist, blieb im Schaum des Tees hängen und konnte somit leicht weggepustet werden. Der Tee konnte so sauber geschlürft werden.
Wichtig beim Teegenuss: langsam und schlürfend trinken. Es geht weniger um den Tee als mehr um die Zusammenkunft und die Geselligkeit – das Miteinander.
Zu Besuch im Berber Dorf
Mohamed Amjadi – der Dorfälteste
Taz´n Tat – ein abgelegenes Berberdorf im Atlas Gebirge liegt an einer Flussoase umgeben von hohen Felsen. Dort lebt der Dorfälteste Mohamed Amjadi. Sein Alter ist unbekannt – er selbst behauptet über 100 Jahre zu sein. Was seine Erfahrung und Weisheit angeht, mag das wohl stimmen. Doch wie viele andere Berber seiner Generation wurde er bei der Geburt nicht gleich registriert und hat erst Jahre später einen „Perso“ erhalten. Daher ist er auf dem Papier am selben Tag, im selben Monat und im selben Jahr wie viele andere geboren.
Dorfältester zu sein bedeutet nicht gleich der älteste im Dorf zu sein. Vielmehr besteht ein „Rat der Ältesten“, dem auch jüngere Männer angehören können. Den Status des „Dorfältesten“ muss man sich durch Engagement für die Interessen des Dorfes und den Respekt der Dorfbewohner erarbeiten. Besucher des Dorfes werden vom Dorfältesten willkommen geheißen und zu Tee und Essen eingeladen. Sinn einer solchen Einladung ist es weniger Geschichten zu erzählen, als vielmehr die Geschichten der Reisenden zu hören. Der Reisende ist das Bindeglied zum Rest der Welt und sollte sich seiner Aufgabe bewusst sein.
Unterstützung der lokalen Bevölkerung
Beim Besuch bei Amjadi in Taz’n Tat können wir die Lebensweise der Berber und die richtige Teezubereitung miterleben. Amjadi schlendert mit uns durch sein Dorf, erzählt uns Geschichten und zeigt uns stolz den gepflasterten Weg, den er mit den Einnahmen der ASI Teezeremonie anlegen konnte. Denn bei jedem unserer Besuche bleibt das Geld direkt im Dorf und wird für verschiedene Projekte genutzt. Der Ausflug ist auch eine einmalige Gelegenheit die Sprache der Berber zu hören, denn der Dorfälteste spricht nur Berber. Übersetzt wird dann von Bergwanderführer David, der neben seiner Muttersprache Deutsch auch die Sprache der Berber beherrscht. Den krönende Abschluss bildet die Teezeremonie in Amjadis Haus, wo wir auch die traditionelle marokkanische Küche genießen dürfen.
Der Berber Tee und seine Zubereitung
Ein Original Berber Tee wird nur von Marokkanern zubereitet. Wer jedoch trotzdem den Tee zu Hause genießen möchte und dabei in den Erinnerungen an die Erlebnisse in Marokko schwelgen möchte, kann dies folgendermaßen tun: Die Basis ist grüner Tee. Wer von seinen Reisen nach Asien original grünen Tee zu Hause hat, hat schon mal eine gute Grundlage. Die Marokkanische Minze kann auch selbst im Garten gezogen werden. Wem dies zu aufwendig ist, holt sich einen Bund Nanaminze beim Araber auf dem Markt.
Meist werden 3 Gläser Tee gereicht nach dem Motto:
„Das erste Glas ist bitter wie das Leben, das zweite stark wie die Liebe und das dritte sanft wie der Tod“.
Zubereitung
Wasser kochen
In hohem Bogen über Grünen Tee und Nanaminze gießen
10 Minuten ziehen lassen
Zucker zugeben
in hohem Bogen einschenken
schlürfend genießen