Meine scheinbar nie gestillte Reiselust zieht mich im November 2017 wieder einmal in die Ferne. Als “Gringa” (spanische Bezeichnung für Ausländerin) reise ich drei Wochen durch Kolumbien und erkenne schon nach kurzer Zeit, dass viele Vorurteile unbegründet sind.
Ich fühle mich stets sicher und das Land strotzt vor Reichtümern: beeindruckende Landschaften mit Bergen, die das Wanderherz schneller schlagen lassen, kilometerlange Sandstrände, archäologische Reliquien, vielfältige Vegetation, nie zuvor gesehene tropische Früchte, Kaffee, Kakao… Und um den 3. Rohstoff mit dem Buchstaben “K” nicht zu unterschlagen: Koka.
Womit ein Vorurteil, das in uns Europäern über Kolumbien oft schlummert, immer noch nicht ganz aus der Welt geschaffen ist. Aber was mich vor allem beeindruckt, ist der Reichtum an Bevölkerungsvielfalt, auf den ich mich in diesem Reisebericht konzentrieren möchte.
Meine Reiseroute in Kolumbien
Meine Reise hat mich von Bogota über die Kaffeezone nach Medellin und weiter in den Norden nach Cartagena gebracht. Im Norden habe ich die meiste Zeit verbracht und die Gelegenheit ergriffen, die Bergwelt der Sierra Nevada zu erkunden.
Kolumbiens Bevölkerung: Klassensystem & Gastfreundschaft
Mit etwa 47 Millionen Menschen ist Kolumbien nach Brasilien das bevölkerungsreichste Land Südamerikas. Die Besiedelungsgeschichte Kolumbiens führt dazu, dass die Bevölkerungsstruktur so vielfältig ist. Kolumbien ist von einer Landflucht geprägt: ca. 75% leben in den Städten. Der übrige Teil der Bevölkerung verteilt sich vor allem auf die Andenregion und die Karibikküste.
Die Bevölkerung, von der etwa 70% im Mittelstand sind, ist in ein Klassensystem von 1 (sehr arm) bis 6 (sehr reich) eingeteilt, wobei die ärmere Bevölkerung vom Staat unterstützt wird. Dass das Land erst in jüngster Zeit diverse positive Veränderungen erlebt hat, ist deutlich spürbar. Unter anderem in der Comuna 13, ein Stadtteil in Medellin. Er galt lange Zeit als einer der gefährlichsten Stadtteile der Welt, was unter anderem den Drogenkriegen geschuldet ist, die dort lange Zeit ihren Hauptaustragungsort fanden. Während meiner Kolumbien-Reise fühlte ich mich in Medellin als Touristin mit offenen Armen und interessierten Blicken empfangen. Während einem Stadtrundgang haben sich immer wieder Locals in den Kreis der Gruppe eingereiht und unserem Guide zugehört (auch wenn sie selbst kein Wort Englisch beherrscht haben). Dabei haben sie uns Touristen mit neugierigen Blicken gemustert und am Ende die Worte “Bienvenidos a Colombia! Welcome to Colombia!” zugerufen. Laut unserem Guide ist der Großteil der Kolumbianer froh über Besuche von Ausländern und hofft, dass sich dadurch der Ruf des Landes weiterhin verbessert.
Neben der offenen, städtischen Bevölkerung habe ich an der Karibikküste von der Sklaverei geprägten Menschen getroffen, denen man ihr Leid meines Erachtens in den markanten Gesichtszügen ablesen kann. Besonders berühmt sind die “Palenqueras”: Marktfrauen, die bunt gekleidet sind und Obst verkaufen, das sie in einem Korb auf dem Kopf transportieren. Heutzutage machen sie aber auch Geld mit dem Posieren für Fotos.
Trekking zur Ciudad Perdida: von Kürbissen und Kokablättern
Mit dem Eintauchen in die Sierra Nevada begegne ich einer weiteren sehr interessanten Bevölkerungsgruppe. Die indigenen Völker, von denen es etwa 85 in Kolumbien gibt, sind Touristen gegenüber eher zurückhaltend, wenn nicht sogar skeptisch. Nichtsdestotrotz sorgt der Tourismus in einigen Regionen Kolumbiens dafür, dass die Völker nicht mehr vom Kokaanbau und der damit verbundenen Kriminalität leben müssen. Bei einem Trekking zur ehemaligen Inkastätte “Ciudad Perdida” erfahre ich mehr über das indigene Volk der Tayrona, die sich selbst als “ältere Brüder” bezeichnen und im Einklang mit der Natur leben. Die zivilisierte Gesellschaft hingegen bezeichnen sie als “jüngere Brüder” und verantworten diese für Naturkatastrophen, da sie sich nicht für das Gleichgewicht des Universums einsetzen.
Jeder Mann erhält zu seinem 18. Geburtstag ein “Poporo”. Dabei handelt es sich um einen ausgehöhlten Kürbis, der mit einem Puder aus Meeresmuscheln gefüllt ist. Außerdem trägt jeder Mann eine handgewebte Tasche mit Kokablättern bei sich, die bei einem Treffen zum Zeichen des Respekts untereinander ausgetauscht werden. Mit einem Stab wird das Puder aus dem Poporo zur berauschenden Wirkung zu den Kokablättern in den Mund geführt und im Anschluss um das Gefäß verrieben. Dadurch bildet sich mit der Zeit ein fester Ring um das Poporo – je größer der Ring, desto mehr Ansehen hat der Mann.
Kolumbien erzählt diese und etliche weitere interessante Geschichten, die unglaublich fesselnd sind. Das Land steckt touristisch in seinen Kinderschuhen, was mit Sicherheit den vielen Vorurteilen geschuldet ist oder diesen in der Hinsicht sogar zu Gute kommt. Noch kann man das Land nämlich mit all seinen Facetten authentisch bereisen.
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