Knieschmerzen sind ein leidiges Thema bei vielen Bergsteigern. Der Aufstieg bereitet meist keine Probleme, danach kommt das Auskosten des Gipfelsiegs. Während die letzten Bissen der Jause auf der Zunge vergehen, stellen sich die ersten Gedanken an den Rückweg ein. Nicht selten gehen diese mit einem beklemmenden Gefühl einher. Denn der Abstieg kann zur Tortur werden, wenn die Knie zwicken und stechen. Einfach nicht mehr wandern gehen? Nein, das ist auch keine Lösung. Zu groß ist die Liebe zu den Bergen und der Bewegung an der frischen Luft. Wir empfehlen, Knieschmerzen erst gar keine Chance zu geben: Wer ein paar Dinge bereits bei der Routenplanung beachtet, kann große Schmerzen von vornherein ausschließen. Zudem gibt es einige Tricks, wie ihr auch während der Wanderung dem unangenehmen Stechen vorbeugt.
Nach einer Studie des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit (2016) entsteht rund die Hälfte aller Unfälle beim Wandern in Österreich durch Stürze. 75 Prozent davon geschehen beim Abstieg laut einer Datenanalyse des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck zu den Ursachen für Stürzen beim Wandern und Bergsteigen. Ermüdung, nachlassende Aufmerksamkeit sowie ungewohnte Belastung beim Bergabgehen können der ausschlaggebende Grund dafür sein. Wer schmerzende Knie hat, ist beim Abstieg zusätzlich geschwächt.
Planung: knieschonende Routen sind gefragt
Planung ist das A und O, denn so können Knieschmerzen von vornherein vermieden werden. Was gilt es dabei zu beachten? ASI Bergführer Gerhard verrät es euch.
Passender Rückweg
Ein knieschonender Rückweg hat Priorität. Wer schon bei der Planung die Route genau studiert, kann möglicherweise einen anderen Weg wählen, um so steile Abstiege zu meiden. Oft gibt es Berge mit mehreren Pfaden: Standardwege, die sich gemächlich den Berg hochschlängeln. Anspruchsvolle Steige, bei denen Technik und offene Augen gefragt sind. Abwechslungsreiche Pfade, die über Stock und Stein führen. Warum nicht eine Kombination aus verschiedenen Wegen wählen? Einen etwas anspruchsvolleren beim Aufstieg und den gemütlicheren beim Abstieg. Das freut das Wander-Herz UND die Knie. Diese Kombination ist bei den meisten Bergen außerhalb des Hochgebirges möglich. Eine Alternative dazu wäre es, gleich einen Gipfel auszuwählen, bei dem es eine Seilbahn gibt. Mit der Gondel den Weg zurück ins Tal zu machen ist eine gute Variante für Wanderer mit Knieproblemen.
Geeignetes Schuhwerk
Zur richtigen Vorbereitung gehört auch die Wahl des angemessenen Schuhwerks. Optimalerweise haben Wanderschuhe eine feste, profilierte Sohle und schützen die Knöchel. Neue Schuhe sollten unbedingt bei einer kleinen Runde eingelaufen werden, bevor ihr diese für eine mehrstündige Wanderung verwendt. Je öfter man neue Schuhe auf kurzen Wanderungen eingeht, desto eher lassen sich Probleme vermeiden.
Sollten die Schuhe einen niedrigen oder hohen Schaft haben? Diese Frage müsst ihr euch selbst beantworten, denn jeder fühlt sich mit einer anderen Variante wohl. Ein wesentlicher Vorteil von niedrigen Schuhen ist die Bewegungsfreiheit, die sie im Sprunggelenksbereich zulassen. Sie bieten die Möglichkeit, die Schritte beim Bergabgehen gezielter zu setzen – Die Kniegelenke werden es euch danken. Auf der anderen Seite beugen Bergschuhe mit hohem Schaft der Verletzungsgefahr im Sprunggelenk vor. Unser Tipp: Wanderschuhe verwenden, die über die Knöchel gehen und beim Abwärtsgehen die oberste Öse nicht mitbinden. Wichtig ist jedenfalls, den restlichen Schuh fürs Abwärtsgehen gut zu schnüren. So rutschen die Zehen nicht vor und die Trittsicherheit erhöht sich.
Während der Wanderung:
Knieschmerzen keine Chance geben
Wanderstöcke
Stöcke können das Wandern und vor allem das bergab Gehen massiv erleichtern. Die dabei eingesetzte Arm- und Schultermuskulatur reduziert die Belastung auf den Beinen, zudem halten Wanderer so das Gleichgewicht leichter. Bei der richtigen Verwendung von Wanderstöcken verringert sich das von Oberschenkel und Knie zu hebende Gewicht um ganze zehn Prozent. Das klingt vielleicht nicht nach sonderlich viel, wird es jedoch bei mehrstündigen Wanderungen. Vor allem auch deswegen, weil bei längeren Touren mitunter der Rucksack schwerer ist, den ihr auf dem Rücken tragt. Er stellt eine zusätzliche Belastung für die Knie beim Abwärtsgehen dar. Positiver Nebeneffekt beim Einsatz von Stöcken: neben den Kniegelenken schont man damit auch die Wirbelsäule.
Der richtige Einsatz von Wander- und Trekkingstöcken
Beim geradeaus Gehen wird die Länge der Stöcke so eingestellt, dass der Arm einen rechten Winkel bildet. Die Arme schwingen dabei parallel zum Fuß mit. Geht es bergab, solltet ihr die Stöcke etwas verlängern, sodass die Arme beim Stockeinsatz nicht ausgestreckt sind und das Gleichgewicht optimal gehalten werden kann. Die Stöcke werden gleichzeitig vorne aufgesetzt, das entlastet die Kniegelenke. Auch beim bergauf Gehen ist der Doppelstockeinsatz empfehlenswert: das Stützen auf die Stöcke schont die Beinmuskulatur und den Oberkörper.
Light is right
Je weniger Gewicht am Rücken, desto weniger Belastung in den Kniegelenken. Daher: nur das Wichtigste im Rucksack mitnehmen. Lieber beim Packen zwei Mal überlegen, als den Knien doppelt so viel Belastung aufzubrummen. Gewichtsreduktion ist auch beim eigenen Körpergewicht angesagt. Je weniger wir mit uns selbst herumschleppen, desto weniger werden die Knie und der restliche Gelenksapparat belastet. Also: lieber mal aufs Schnitzel verzichten und dafür die Wandertour mehr genießen.
Gehtechnik
Kurze Schritte entlasten die Knie mehr als große. Zudem empfiehlt es sich beim Bergabgehen, wenn möglich große Steine anzusteigen, die im Erdreich verankert sind. Sind Unebenheiten wie etwa Wurzeln mit dabei, steigt diese gezielt mit dem großen Zehengrundgelenk an, anstatt sich in die Fersen plumpsen zu lassen. Positiver Nebeneffekt: Kontrolliert gesetzte Schritte verringern auch die Sturzgefahr. Gleichzeitig trainiert ihr Trittsicherheit und Gleichgewicht.
Langsamer Start
Wer Knieprobleme hat, sollte besonders darauf achten, den Start der Wanderung gemächlich anzugehen. Denn die Gelenke brauchen länger als die Muskeln, bis sie aufgewärmt sind. Vor allem dann, wenn es gleich zu Beginn der Tour bergab geht, ist man dazu geneigt, zu schnell loszupreschen. Das mag sich zwar aus konditioneller Sicht richtig anfühlen – die Kniegelenke kommen da jedoch nicht mehr mit Warmwerden nach.
Nach der Tour: Was tun, wenn die Knie doch weh tun?
Trotz aller präventiver Maßnahmen macht sich der stechende Schmerz hinter der Kniescheibe nach oder schon während einer längeren Wanderung bemerkbar? Dann hilft nur eines: Pausieren. Ruhetage geben den Kniegelenken die Chance, sich zu erholen. Unsere Empfehlung an alle Knieschmerzen-Geplagten ist es, eine Standortreise dem mehrtägigen Trekking vorzuziehen. So ist ein ausgewogener Mix zwischen anspruchsvollen und einfachen Routen möglich und es kann gegebenenfalls auch mal ein Ruhetag eingelegt werden.
Heißer Tipp fürs ganze Jahr: Krafttraining
Wer mehr „Schmalz“ in den Beinen hat, kann die Wanderung letztendlich mehr genießen. Denn unsere Muskulatur kann einen Großteil der Belastung auf die Gelenke beim Fußansatz abfangen. Oft ist die Muskulatur jedoch schon vom Anstieg ermüdet und kann daher nicht mehr ihre volle Wunderkraft entfalten. Das Ergebnis: härteres Auftreten beim Bergabgehen und ein Aufprall, der direkt ins Knie geht. Wer kontinuierlich seine Oberschenkelmuskulatur trainiert, ist auf Wanderungen wesentlich kniefreundlicher unterwegs. Radfahren ist eine gute Möglichkeit, seine Oberschenkelmuskeln schonend aufzupeppen.