Kennt ihr den Moment, wenn ihr einen Gipfel oder Bergkamm erreicht und sich euch mit einem Mal eine ganz neue Wetterlage offenbart? Dunkle, bedrohliche Wolken türmen sich vor euch auf und in der Ferne kann man schon den Regen erkennen. Kurze Zeit später zuckt auch schon der erste Blitz über den Himmel und das Grollen des Donners folgt in einem kurzen Abstand. In diesen Momenten macht sich gerne einmal Panik breit. Erfahrt in diesem Beitrag, was es bei der Tourenplanung und während der Tour zu beachten gilt, um nicht in ein Gewitter zu geraten und was zu tun ist, wenn man doch von einem überrascht wird.
Übersicht
Warum sind Gewitter in den Bergen so gefährlich?
Gewitterstrategie nach Meteorologe Karl Gabl
Vor der Tour – die Tourenplanung
Während der Tour – gewitterbewusste Tourenführung
Warum sind Gewitter in den Bergen so gefährlich?
Gewitter können fast überall auf der Erde und besonders in den Bergen eine große Gefahr darstellen. Gründe dafür sind:
- Harmlose Schönwetterwolken können sich innerhalb kurzer Zeit zu heftigen Gewitterwolken zusammenbrauen
- das Risiko von Blitzeinschlägen kann besonders an exponierten Stellen (Gipfel- oder Kammnähe) oder an Drahtseilen wie am Klettersteig sehr hoch werden
- Gewitter werden meistens von Temperaturstürzen, Sturm und peitschenden Regen- und Graupelschauern begleitet. Dadurch ergeben sich plötzlich zahlreiche Naturgefahren wie z.B. harmlose Bäche können zu reißenden Flüssen, Schluchten zu gefährlichen Fallen, gesicherte Wanderwege in Fels Nähe plötzlich Steinschlag gefährdet, und steile oder felsige Wege zu rutschigen und lebensgefährlichen Pfaden werden.
Im Schnitt werden in den Alpen an ca. 60 Tagen im Jahr Gewitter prognostiziert. Bleibt man aufgrund der Vorhersage zu Hause bedeutet das, dass es in 2 Monaten keine Touren geben würde. Mit der richtigen Gewitterstrategie, können aber auch an Gewittertagen gewisse Touren sicher geplant werden. Zu beachten gilt: absolute Sicherheit gibt es in der Natur nicht und Beobachtung und eigene Erfahrung spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Gewitterstrategie nach Meteorologe Karl Gabl
Der Tiroler Meteorologe Karl Gabl hat in seinem Buch “Bergwetter” eine Gewitterstrategie definiert, die bei Beachtung für eine möglichst sichere Tour in den Bergen sorgen kann. Werden dabei verschiedene Regeln beachtet und können gewisse Gefahren ausgeschlossen werden, steht einem tollen Tag in den Bergen auch bei Gefahr von Wärmegewittern nicht mehr viel im Wege.
Vor der Tour – die Tourenplanung
- Einholen eines aktuellen und detaillierten (Berg-)Wetterberichtes. Eine gute Quelle für Österreich ist das Bergwetter der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik)
Gewitterwahrscheinlichkeiten werden meist in Prozent angegeben oder von den Meteorologen beschrieben – zum Beispiel „verbreitete Gewittergefahr am Nachmittag“. Hierbei ist wichtig, die Region richtig einzugrenzen, da Gewitter punktuell ausfallen können. Auch zu welcher Tageszeit mit Gewitterbildung zu rechnen ist, gilt es in der Tourenplanung zu berücksichtigen.
- Bei hoher Gewitterwahrscheinlichkeit früh starten und zu Mittag wieder an den Ausgangspunkt zurückkehren. Bei der Zeitplanung gilt es auch, einen Puffer für etwaige Zwischenfälle mit einzuplanen.
- Kondition und Können der Gruppe richtig einschätzen: sind alle Teilnehmer fit genug, um den geplanten Zeitplan einzuhalten und ist das Können für einen schnellen Rückzug gegeben?
- Wahl des Geländes berücksichtigen: besonders bei Kletter- oder Canyoningtouren auf Abstiegs- bzw Rückzugsmöglichkeiten achten. Bei Gewittertagen sollte auf lange Gratklettereien verzichtet werden. Bei langen Tagestouren müssen mögliche Zwischenabstiege oder sichere Unterstände (Schutzhütten, gesicherte Biwakschachteln) während der Tour miteingeplant werden.
- Richtige Ausrüstung: zusätzlich zur Standardausrüstung auch Kälte- und Wetterschutz sowie bei langen Touren eventuell GPS-Gerät oder Bussole (Kompass) für die Orientierung bei Nebel einpacken. Darüber hinaus können auch griffbereite Snowline Spikes vor allem bei raschen Abstiegen oder Querungen von Schneefeldern mehr Trittsicherheit gewährleisten.
Während der Tour – gewitterbewusste Tourenführung
Während der Tour den zuvor definierten Zeitplan einhalten und immer wieder überprüfen.
Das Geschehen am Himmel beobachten.
Anzeichen für Gewitter:
- Wolkenbildung: Schönwetterwolken können sich im Laufe des Tages, mit der Erwärmung des Bodens und hoher Luftfeuchtigkeit zu gefährlichen Gewitterwolken auftürmen. Diese sind an ihrer markanten, hoch-aufgebauten Nimbus-Form erkennbar.
Anzeichen für hohe Luftfeuchtigkeit beachten:
- Halos = helle Ringe um Sonne oder Mond und sind ein Anzeichen dafür, dass sich das Wetter in den kommenden 24 Stunden umschlagen wird.
- Kondensstreifen der Flugzeuge
- Allgemein dunstige Luft und schlechte Sicht
- Böige, kalte Winde
Bei drohendem Gewitter
- 10-Sekunden Regel: folgt der Donner innerhalb von 10 Sekunden nach dem Blitz, ist das Gewitter weniger als 3 km entfernt und es sollte dringend Deckung gesucht werden
- hierbei gilt: lieber zu früh bzw. umsonst umdrehen und Behausung mit Blitzableiter aufsuchen
- weg von exponierten Stellen, Drahtseilen und wasserführenden Bereichen
- hohe und einzelne Bäume und andere Objekte wie Strommasten, Seilbahnmasten etc. meiden (mind. 3 Meter Entfernung). Schutzhütten oder Unterstände aufsuchen
ACHTUNG: Zelte sind nicht vor Blitzschlag geschützt - metallene Ausrüstungsgegenstände wie Stockspitzen, Pickel oder Mountainbikes entfernt ablegen. Sie ziehen die Blitze zwar nicht an, sind jedoch gute elektrische Leiter.
- Gruppen verteilen sich
Während des Gewitters
- gibt es keine Möglichkeit, Unterschlupf zu finden oder wird man vom Gewitter überrascht, sollte man auf freier Fläche in kleinen Mulden mit geschlossenen Beinen hinkauern oder auf kleinflächig isolierende Ausrüstung (Rucksack oder Seil) kauern – ACHTUNG: auf keinen Fall flach auf den Boden legen
- am Klettersteig oder in der Kletterroute mit Selbstsicherung gesichert bleiben und dabei eher an Eisenklammern als am Drahtseil festmachen und in Kauerstellung mit eng geschlossenen Beinen ausharren. Achtung: der eventuelle Starkregen kann in Felswänden Steinschlag auslösen
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