Man muss sie schon besonders mögen, die raue Seite des irischen Herbstes, um den Kerry Way Anfang Oktober zu wandern. Denn das Wetter verhält sich wie Forrest Gumps Pralinenschachtel: Man weiß nie, was man bekommt.
Doch genau das macht den Reiz aus. Abenteuerlich fühlt sie sich an, unsere 140 km lange Fernwanderung von Glenbeigh nach Killarney. Zu dieser Jahreszeit ist nicht viel los auf dem Kerry Way, dem längsten Wanderweg Irlands. An den folgenden sechs Tagen begegnen uns sicher mehr Schafe als Menschen, während wir durch Irlands einsamen Südwesten wandern.
Die Tour startet spektakulär:
Tag 1 führt uns direkt an die Küste. Oberhalb der Dingle Bay schmiegt sich der enge Wanderweg an eine Felswand. Wir schauen hinunter auf den endlosen Atlantik und fühlen uns schon jetzt weit weg vom Alltag. Fotopause, einmal tief durchatmen und den Ausblick wirken lassen: Wie bestellt bricht der blaue Himmel hinter der Wolkendecke hervor. Was für uns ein besonderer Moment ist, interessiert die Schafe kaum: Unbeeindruckt kauen sie einen Happen Gras nach dem anderen.
Tag 2 führt uns landeinwärts. Es ist ein stetes auf und ab. Wir überqueren die Hügel Keelmagore, Kanckayahaun, Coomduff und Knag bei schlechter Sicht. Sie muss wunderschön sein, die Landschaft um uns herum. Überprüfen können wir das nicht – der Nebel hat sich breitgemacht und liegt nun tief über der Grasnarbe. Wir stapfen durch das hohe Gras ins Ungewisse. Auch das ist Irland im Herbst.
Etappe 3 ist etwas kürzer, doch nach zwei anstrengenden Tagen beschweren wir uns nicht darüber. Die Insel Skellig Michael verbirgt sich im dichten Nebel, und wir sind froh, als wir einen Waldabschnitt erreichen, der uns etwas vom Regen abschirmt. In unserem Bed & Breakfast sind wir am Abend die einzigen Gäste, die Saison ist bereits vorbei. Unsere Wanderschuhe trocknen am Kamin, während wir im Blind Piper, dem einzigen Pub Caherdaniels, mit dem halben Dorf beisammensitzen.
Von Caherdaniel führt uns die “Old Butter Road” nach Sneem. Regen und Nebel sind verflogen. Es ist eine unglaublich tolle Strecke, immer wieder lassen wir den Blick lange über das Land schweifen. Bunte Herbstfarben leuchten und brennen sich in unser Gedächtnis ein. Am Folgetag führt uns der Weg entlang der Landzunge der Kenmare Bucht, immer wieder machen wir Pausen mit Blick auf das sanfte Wasser. Sonnenstrahlen brechen durch den Wald, das Wetter meint es heute richtig gut mit uns.
Der letzte Tag führt uns durch den Killarney Nationalpark, streckenweise fühlen wir uns wie in einer anderen Welt. Karge Hügel, windschiefe Bäume, ein schmaler Holzsteg führt uns durch hohes Sumpfgras. Mittlerweile haben wir uns an das Laufen gewöhnt, einen guten Rhythmus, und genießen nochmal so richtig: die Natur, die Weite, die Entlegenheit. Beim Wandern reduziert man sich auf das Wesentliche: Weg, Wetter und seine eigenen Gedanken. Gepaart mit der frischen Luft und Ruhe ist das für uns besser als jedes Wellness-Wochenende.
Am Abend feiern wir uns selbst mit einem Killarney Brew. Auch wenn wir eigentlich nur sechs Tage unterwegs waren, machen all die Eindrücke diese Zeit so reich und dicht, dass wir uns komplett entspannt fühlen.
Irland im Herbst, wir mochten es sehr. Ja, das Wetter ist unvorhersehbar. Doch wenn man einem Regentag trotzt, wird man am nächsten Tag belohnt: Mit malerischen Herbstfarben, irren Ausblicken und freien Wanderwegen.
Euch haben die Bilder und Erzählungen der Beiden gefallen? Dann bucht jetzt eure individuelle Irlandwanderreise und erkundet selbst den vielfältigen und faszinierenden Kerry Way.