Wir nehmen euch mit auf eine Wanderreise durch Apulien mit hübschen kleinen Hafenstädten, wilden Landschaften, wunderschönen Sandstrände von weißen Felsen unterbrochen, geheimnisvollen Höhlen, grünen Hügeln und Olivenbäumen. | von Dietlind Castor (Text + Bilder)
Zahllose Olivenbäume drehen und winden sich mit ihren wulstigen Stämmen auf roter Erde. “Sie tanzen”, sagt Giuseppe. Der Wanderführer mit dem sarazenischen Profil und dem schwarzen Bart, beides ein Kontrast zu seinen treuherzig blickenden braunen Augen, liebt seine apulische Heimat und hat kein Problem, seine Wandergruppe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ebenfalls dafür zu begeistern. Gerade im Frühling scheint die Natur hier in einem Farbenrausch zu explodieren: Knallgelbe, blaue und rosafarbene Margeriten, rote Mohnfelder, weiße Zistrosen, weinrote Orchideen und gelber Fenchel, um nur einige aus dieser Farbsymphonie zu nennen.
Die Trulli Siedlungen in Apulien
Apulien ist eine im Südosten Italiens gelegene Region mit der Hauptstadt Bari. Da erscheint vor Augen sofort das Bild von Trulli, kleine Rundbauten mit kegelförmigen Dächern. Die gibt es vor allem im Itria-Tal, einer Ebene im Dreieck Bari, Brindisi und Taranto. Hier wandern wir zuerst, vorbei an den uralten „tanzenden“ Olivenbäumen sowie Kirsch-und Mandelbäumen. Weißgraue Trockenmauern trennen Ackerflächen und Weingärten. Ihre Steine, die auf den Feldern gesammelt wurden, dienten auch als Baumaterial für die Trulli. In Alberobello drängen sich um die Tausend dieser Trulli. “Sieht aus, wie ein Dorf der Schlümpfe”, sagt die Berlinerin Sabine. Wir wohnen oberhalb dieser Ansammlung von Zwergenhäuschen in einem ehemaligen Kloster, das direkt an die Trullo-Kirche angebaut wurde. Seit 1996 zählt das Städtchen Alberobello samt dem Itria Tal zum Weltkulturerbe. Tagsüber sind die Gassen voll mit Touristen, aber am Abend oder frühen Morgen bieten sie mit den Rosen geschmückten Fassaden eine wahre Postkartenidylle.
Außer Besichtigungen von typischen Städtchen sind sieben Wanderungen mit Guiseppe geplant. Er beginnt sie mit einem fröhlichen „sciamànin“. Das ist ein Dialektausdruck aus Bari und bedeutet: Auf geht’s! In Ostuni erheben sich weißgekalkte Häuser auf drei Hügeln über das Itria-Tal. Ihr blendendes Weiß steht im Kontrast zu den ockerfarbenen Stadtbauten und der Kathedrale. Von den Terrassen erscheint hinter der weiten Ebene die fünf Kilometer entfernte Adria. Auf der anschließenden Wanderung durch das blühende Land zur Masseria (Bauernhof) Morrone ist das Städtchen wegen seiner exponierten Lage noch lange in seiner weißen Pracht zu sehen. Auch Locorotondo liegt auf einem Hügel. Wie der Name schon sagt, ist die Altstadt kreisrund angelegt. Ein wahres Labyrinth von Gassen mit immer neuen romantischen Winkeln erwartet die Wanderer, die den Ort über den Aquaedotto pugliese, dem größten Aquädukt Europas erreichen. Die Rohre liegen unter dem Weg. In Brunnenhäuschen hört man das Wasser gurgeln, das für weite Teile Apuliens Trinkwasser bringt.
Matera – Europas Kulturhauptstadt 2019
Nicht mehr zu Apulien, sondern zur Basilikata gehört seit 1663 Matera, mit 60.000 Einwohnern Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und Europas Kulturhauptstadt 2019. Der Ort ist von Alberobello in gut einer Stunde per Bus oder Zug zu erreichen. Matera liegt auf einer karstigen Hochebene, der sogenannten Murgia, die jäh zu einer tiefen Schlucht, der Gravina di Matera abbricht. In das weiche Tuffgestein haben Menschen schon früh Höhlen-wohnungen eingegraben. Bis in die 1950er und 1960er Jahre haben sie unter denkbar unhygienischen Verhältnissen in diesen Sassi gehaust. Der Arzt, Maler und Dichter Carlo Levi, der von der faschistischen Regierung in diese Gegend verbannt wurde, hat in seinem autobiographischen Werk „Christus kam nur bis Eboli“ auf diese Zustände aufmerksam gemacht: Ein Schandfleck für ganz Italien. Die Höhlenbewohner wurden daraufhin in neugebaute Wohnviertel umgesiedelt. Heute werden die Sassi und die zahlreichen Felsenkirchen, die 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurden, zum großen Teil saniert. Sie bilden eine gemischte Siedlung mit komfortablen und originellen Ferienwohnungen, Büros, Künstlerateliers und Werkstätten.
Über einen steilen Treppenweg klettern wir in die Schlucht zur Gravina, die unten von einer Hängebrücke, der Ponte tibetano überspannt wird. Auf der anderen Seite geht es wieder steil hinauf zur karstigen Murgia, wo wir uns in Augenhöhe zur zweigeteilten Stadtanlage von Matera befinden. Auf der rechten Seite die „moderne“ Altstadt mit der mächtigen Kathedrale, auf der linken Seite die Sassi mit ihren die schwarzen Tür- und Fensteröffnungen, die wie tote Augen herüberschauen. Auf der kahlen felsigen Hochfläche wandern wir an Höhlen und Felsenkirchen vorbei in einem großen Bogen zurück nach Matera.
Auf der Fahrt ins nördliche Apulien ein Stopp in der sehenswerten Stadt Trani an der Adria. Die romanische Kathedrale San Nicola Pellegrino bestimmt die Kulisse des Hafens. Ihr gegenüber ragt das Castello Svevo auf, das um 1230 von Friedrich II. erbaut wurde. Der Sohn Kaiser Heinrichs VI. und Enkel Barbarossas war wohl der Staufer, der die Nachwelt am stärksten beeindruckt und geprägt hat. Sein wichtigstes Bauwerk, das Castel del Monte bei Andria darf bei einer Apulienreise nicht fehlen. Die Zeiten, wo ein Besucher allein den Anstieg zur achteckigen Burganlage genießen konnte, sind wohl vorbei. Scharen von Touristen werden per Shuttle-Bus hinaufbefördert. Das Gebäude gibt einige Rätsel auf. Diente der Lieblingssitz des Staufers als Wehrbau, was ohne Gräben und weiteren Mauern eher unwahrscheinlich erscheint oder nur als Lustschloss für die Falkenjagd? Der zweistöckige Bau auf der fast kahlen Anhöhe der Murgia wirkt sehr kompakt, weil es auf jeder Seite nur zwei Fenster gibt. Im nach Osten gerichteten Hauptportal sind gotische, klassische und islamische Architekturelemente vereint. In den Innenräumen ist von der Ausstattung nichts mehr erhalten, außer ein paar Kamine und Wasserleitungen.
Gargano – das abwechslungsreiche Vorgebirge Apuliens
Im nördlichen Vorgebirge Apuliens, dem Gargano, das sich wie ein kleiner Knubbel vom italienischen Stiefel abhebt, locken abwechslungsreiche Landschaften zum Wandern. Die „Foresta Umbra“ mit ihren Buchenwäldern wurde auf Grund ihres Artenreichtum zum Nationalpark erklärt. An ihrem Rand liegt auch der Wallfahrtsort San’Angelo, von dessen Höhe der gesamt Gargano zu überblicken wäre, wenn nicht gerade Wolken alles verhüllen. Der kleine Ort, den Pilger aus aller Welt aufsuchen, ist seit 492 berühmt, weil der Erzengel Michael in einer Höhle Hirten erschienen sein soll. Bei den Wanderungen im Gargano auf gerölligen Wegen treffen wir selten auf Menschen. Guiseppe warnt vor den Hütehunden, die ihre Aufgabe, die Ziegenherde zusammenzuhalten, sehr ernst nehmen. Aber der Ziegenhirte winkt freundlich und hält seine Hunde in Schach.
Die Wanderungen enden meist an der wunderschönen weißen Felsenküste. Wer im Frühling noch nicht in den kühlen Fluten baden mag, genießt es, am menschenleeren Strand zu sitzen, dem laut anbrandenden Meer zuzuschauen. Zu hören, wie es sich leise klackernd über die Kiesel zurückzieht und die Kieselsteine in der Sonne glänzend zurücklässt. Immer wieder, immer wieder….
„Eine große Rolle spielt in Apulien das Essen“, sagt unser Wanderführer. Es macht ihm Freude, mit uns typische Restaurants, aufzusuchen Angefangen bei den Masserien, Bauernhöfen, wo die Frau oder Großmutter die ländlichen Produkte in einer bunten, sehr schmackhaften Vielfalt zubereitet. Außerdem versteht es Guiseppe, Zutaten für ein lukullisches Picknick unter Pinien einzukaufen. In Trani und dann zum Abschluss in Bari erleben wir durch ihn auch die gehobene apulische Küche mit raffiniert zubereiteten Fischgerichten. „Von den Ställen zu den Sternen“, was nicht heißen soll, dass die bäuerlichen Gerichte nicht hervorragend geschmeckt haben. „Dalle stalle alle stelle!“
Impressionen der Reise von Dietlind Castor:
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